Business Intelligence (BI) wird mehr und mehr zu einer strategischen Entscheidung für die Unternehmen. Einmal, weil die Bedeutung des Wissens und des Umgangs damit – in Einklang mit den Prozessen – zugenommen hat. Und auf der anderen Seite, weil aus den Abteilungen selbst Druck kommt, BI einzusetzen. Das ist ein Ergebnis der jüngsten Studie der Marktforschungsfirma IDC zum Thema in Deutschland. Doch zunächst einmal gilt es festzustellen, was BI nach Meinung der Marktkenner ist.
“Mit dem Begriff BI wird allgemein die Umwandlung von operativen Daten in entscheidungsrelevantes Wissen bezeichnet”, räumt Senior Consultant Frank Naujoks mit Vorurteilen über BI auf. Die “ziemliche Begriffsverwirrung im deutschen BI-Markt” dankt er den Herstellern und Anbietern. Der Markt sei jetzt hierzulande etwa 25 Jahre alt, sagte er, und jedes Jahr komme eine neue Definition für BI hinzu. Das mache es den Kunden nicht einfach, sich für eine Geschmacksrichtung von BI zu entscheiden.
Dass der Markt dennoch seit 2004 jährlich um etwa 4,9 Prozent wächst – und das soll bis 2009 so weitergehen – erklärt er aus einer hohen Anzahl an Neueinsteigern, die jedes Jahr hinzukommen. IDC hat 210 Entscheider zu dem Thema befragt, die jeweils etwa zur Hälfte aus Fachabteilung und IT kommen. Diese Befragung hat ergeben, dass derzeit 51 Prozent sich noch keine Gedanken um BI gemacht hat. Das sind die potentiellen Neukunden. Dagegen haben 31 eine Lösung im Einsatz, 7 Prozent realisieren gerade BI und 5 Prozent planen eine Einführung. Weniger als 1 Prozent hat demnach ein BI-Projekt an die Wand gefahren und abgebrochen. Laut Naujoks ist das für ein Mammutprojekt, das die gesamten Prozesse eines Unternehmens auf den Kopf stellt, verschwindend wenig – “besonders angesichts der unterschiedlichen Auffassungen, ob BI nur Data Mining oder doch etwas mehr ist”.
BI wird aber demnach gründlicher angegangen, als so manches andere Projekt. Naujoks hat festgestellt, dass das Thema nur nach genauer Auseinandersetzung mit den Konsequenzen angepackt werde – anders kann er sich die geringe Zahl abgebrochener Projekte nicht erklären.
Mehr Integration bitte!
Für Jürgen Fritz, Mitglied der Geschäftsleitung von SAS Instiute, liegt der Hase eher woanders im Pfeffer. Er hat beobachtet, dass die Kunden weggehen von dem Best-of-Breed-Ansatz und stattdessen mehr Integration wollen. Sie haben seiner Einschätzung nach verstanden, dass eine Spitzenlösung allein noch keine erfolgreiche Arbeit garantiert und suchen nach einem ganzheitlichen Ansatz, der täglich umgesetzt wird: “Die Kunden wollen, dass ihre Daten transparent, qualitativ hochwertig und einheitlich sind – die größeren Firmen haben schließlich teilweise Hunderte verschiedene BI-Systeme im Einsatz und kennen die damit verbundene Schnittstellenproblematik hinlänglich.” Für ihn steht daher der Auftrag von SAS fest, den Kunden diese Zusammenführungsschmerzen zu nehmen. Und er will die Fachabteilungen besser in die Lage versetzen, mit den Tools umzugehen. Das hat laut Fritz mit der besseren Einpassung der Lösungen in verwendete Plattformen zu tun, aber auch mit der Gestaltung der Benutzeroberflächen. SAS will sich darum kümmern.
Die Fachabteilungen stehen auch für den Dienstleister Siemens Business Services (SBS) als Hauptnutzer im Fokus. Hier wird ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Fachabteilungen diagnostiziert. “Im Bereich Vertrieb, Marketing und Controlling ist die Verbreitung von und der Wunsch nach BI extrem hoch”, beschreibt Ludwig Ohlhaut, Leiter der Abteilung Business Intelligence bei SBS. Andere Fachbereiche sind seiner Ansicht nach BI-technisch “stark unterbelichtet”, und zwar ausgehend von den Anbietern und vom eigenen Vorstand. Doch sie brauchen dringend Werkzeuge für die Bewältigung der täglichen Prozesse. Ohlhaut will daher die Bereiche Logistik, Produktion, Supply Chain, Handel und den Einkauf auf die Kundenliste für BI-Lösungen setzen.
Im Gegenzug verlieren die Fachabteilungen durch diesen Trend einen Teil ihrer gewohnten Selbständigkeit in der Entwicklung und im Einkauf von Tools. Dieser Trend, den die IDC-Analysten bestätigen können, hat zwei Seiten. Theo Ruland, Deutschland-Geschäftsführer des Softwareunternehmens Sybase, hat bislang immer große Eigenständigkeit in Fachabteilungen gesehen. “Viele Abteilungen sind es gewohnt, sich selbst zu bauen, was sie brauchen. Dazu sind sie teilweise sogar gezwungen, weil die IT angehalten wird, auf Standards und Budgettreue zu achten – das wiederum führt in den Abteilungen zu dem Gefühl, von der IT schlecht betreut zu werden”, sagt er. Wenn die Aufgabe, eine “Liquidität der Daten” herzustellen, auf Vorstandsebene rückt, würden sich die Entscheidungswege zwangsweise verlängern, stellt Ruland fest.
Entscheidungen von oben
Ludwig Ohlhaut von SBS kann das bestätigen. “Gerade in Konzernen verlieren die Fachabteilungen ihre Selbständigkeit, wenn die BI-Entscheidungen nach oben rutschen; für das Gesamtunternehmen ist die strategischere Herangehensweise positiv, doch die Entscheidungswege werden zunächst einmal länger, das muss kommuniziert und akzeptiert werden.” Er hält es aber für möglich, den Widerspruch zwischen der groß angelegten strategischen BI-Arbeit und dem schnellen Bauen einer benötigten Lösung zu lösen, indem offen und transparent herangegangen wird.
Doch welche Stolpersteine gibt es abgesehen davon? Aus der Praxis ist dem Dienstleister SBS bekannt, dass nach einer positiven Entscheidung für BI auf Vorstandsebene die Projektteams oft dem Zufall überlassen bleiben und nicht immer aus Fachkräften bestehen. “Meist wird jemand, der sowieso schon überarbeitet ist, als Projektleiter eingesetzt und darüber hinaus erhält er keine Hilfe mehr, darf aber regelmäßig berichten – je nach Erfahrung des Leiters ist das Team dann entweder klug zusammengestellt oder völlig nutzlos”, sagt Ohlhaut. Allgemein ist seiner Ansicht nach ein Hemmschuh bei BI-Arbeit, dass sie oft etwas konzeptlos und oberflächlich gemacht wird. Außerdem dächten auch finanzkräftige Unternehmen nur im Quartalen, sagt er. Sie achteten nur auf den Einkaufspreis einer Lösung statt auf die Folgekosten, die bei halbseidener Umsetzung und teurer Nacharbeit entstehen.
Dieses Problem wird aber nach Ansicht eines weiteren Anbieters gerade angegangen. Cognos stellt seit etwa 20 Jahren im deutschen Markt Werkzeuge her, die heute unter BI fallen. “BI rutscht hoch in die Vorstandsetage”, lautet die Einschätzung von Erich Leitner, Vice President Continental Europe und Geschäftsführer bei Cognos Deutschland. “Die Entscheidung wird, wie vieles, was mit IT zu tun hat, strategischer begriffen”, sagt er. Für die Anbieter heiße das, dass die Lösungen breiter sein müssen, um allen Bedürfnissen nachzukommen.
Hier sieht er große Ablösungswellen: weg von isolierten Abteilungswerkzeugen hin zu großen Rollouts, die das ganze Unternehmen mit einbeziehen. Und auch er kennt die Schnittstellenproblematik. “Ganze Reihen von Softwarehäusern in Europa leben derzeit davon, die Daten zu transferieren, die Ablösung von kleinen Lösungen reibungsloser zu machen, neue Schnittstellen oder Migrationshilfen zu programmieren und BI-Migrationen durchzuführen”, sagt er. Für ihn sind auch die Services rund um BI ein wichtiger Markt, der seine Teilnehmer noch einige Jahre gut ernähren kann. Vielleicht auch deshalb ist die nächste Ausbaustufe für BI – Kunden- und anbieterseitig – laut IDC-Mann Frank Naujoks im Mittelstand zu suchen.
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