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ERP im Mittelstand: Microsofts schleichender Big Bang

Der Mittelstand entwickelt sich für die IT-Industrie immer mehr zum Objekt der Begierde. Das trifft auch für Firmen aus den Bereichen ERP (Enterprise Resource Planning) und CRM (Customer Relationship Management) zu, deren Produkte bis jetzt eher für Großunternehmen bestimmt waren. Doch nachdem dieser Markt so gut wie abgegrast ist und es darin kaum Gelegenheit gibt, mit neuen Installationen Geld zu verdienen, wenden SAP, Oracle und Co nun ihren Blick auf den Mittelstand.

Microsoft wird momentan nicht zu den großen ERP- und CRM-Firmen gezählt, ist aber bei der mittelständischen Klientel gesetzt wie kein anderer IT-Hersteller. Kein Wunder also, dass sich der Riese aus Redmond vorgenommen hat, auch in Sachen ERP beim Mittelstand das Rennen zu machen. “Ich denke, sie werden einen signifikanten Marktanteil gewinnen”, meint dazu David Bradshaw, Principal Analyst bei Ovum.

Momentan ist der Mittelstandsmarkt sehr fragmentiert – keiner dominiert ihn wirklich. “Sage dürfte der größte Player in Europa sein und Intuit in den USA”, schätzt Bradshaw. “SAP behauptet von sich, Marktführer zu sein, aber das meiste Geschäft kommt bei SAP von Firmen mit einem Umsatz von 100 Millionen Dollar bis zu einer Milliarde – die würde ich nicht wirklich als mittelständisch bezeichnen! Wenn Microsoft seine eigenen Vorteile ausspielt, kann es sich gut behaupten. Das Potenzial dazu hat es.”

Damit ist wohl nicht nur die richtige Strategie gemeint, sondern auch der lange Atem in finanzieller Hinsicht: Derzeit ist der Bereich Microsoft Business Solutions (MBS), in dem ERP- und CRM-Lösungen zusammengefasst sind, noch nicht profitabel, aber für Bradshaw dreht sich die Frage zunächst darum, wie viel Geld das Unternehmen zu investieren gewillt ist. Der Analyst ist zuversichtlich: “Ich glaube, Microsoft wird fortfahren, MBS zu geben, was auch immer es in absehbarer Zeit braucht. Sie können es sich leisten, ein langes Match in diesem Business durchhalten zu können.”

Zwei Software-Welten kommen zusammen

Das begann bereits im Jahr 2000 mit dem Erwerb des US-Herstellers Great Plains, die dänische Navision folgte 2002. Mit dem Know-how der beiden Firmen holte sich der Software-Gigant rund zwanzig Jahre Erfahrung mit Geschäftsanwendungen ins Haus. Zusammen mit der eigenen CRM-Software soll aus den Produktlinien Axapta und Navision einerseits und Great Plains und Solomon andererseits eine einheitliche Produktsuite entstehen.

Aber es gilt auch, “zwei Software-Welten zusammenzuführen”, wie Bill Gates beim Business Summit im September erklärte: “Es gab keine Korrelation zwischen den Business-Applikationen und Office.” Derzeit stehe auf der einen Seite die klassische betriebswirtschaftliche Unternehmenssoftware für die Automatisierung der Geschäftsprozesse; sie sei meist zu komplex. Auf der anderen Seite befinden sich Microsofts Standard-Programm Office und die Windows- oder .NET-Plattform.

Es geht also um die Kombination von strukturierten Daten aus Geschäftsprozessen und von unstrukturierten Daten aus Office-Dokumenten. Zum Wohl der mittelständischen Kunden will man kostengünstige, flexible und effiziente Lösungen aus den beiden Software-Welten zusammenbringen. Im Jahr 2003 stellte Microsoft unter dem Codenamen ‘Project Green’ einen Zeitplan dafür vor, der auf zehn Jahre ausgelegt ist und in zwei Wellen die allmähliche Integration der Produktlinien vorantreiben soll.

In der ersten Welle von 2005 bis 2007 sind rollenbasierter Ansatz, SharePoint-basierte Portale und Workflows, kontextuelle Business Intelligence basierend auf SQL BI, sowie Webservice-basierte Integration vorgesehen. In der zweiten Phase ab 2008 wird dann eine modulare Prozesskonfiguration möglich sein, außerdem soll es verbesserte ‘Visual Studio .NET’-Tools und die ‘Best of’-Prozessbibliothek geben.

Eine fiktive Firma gibt Einblicke in die Zukunft

Mit dem rollenbasierten Ansatz ist gemeint, dass man vom Menschen und seiner Aufgabe ausgeht, nach der sich die Software richten muss, und nicht umgekehrt. Konkret schlägt sich dies laut Werner Leibrandt, Bereichsleiter Vertrieb und Marketing Mittelstand bei Microsoft Deutschland, bei den nächsten Updates in 50 wichtigen Aufgabenbereichen nieder, “die im Mittelstand typisch sind”.

Zur Veranschaulichung hat Microsoft die erfundene Musterfirma ‘Contoso’, die auf dem Virtual Server basiert, auf seine Internetseite gestellt. Die Idee der virtuellen Referenzfirma sei es, “mit vorhandenen Produkten dem Partner beziehungsweise dem Endkunden Lösungen mit rollenbasiertem Ansatz vorzuführen”, erläutert Leibrandt.

Am Beispiel eines fiktiven Fahrrad-Anbieters kann der Besucher in die Rolle von sechs Positionen eines mittelständischen Betriebs schlüpfen – wie etwa des Geschäftsführers oder des Vertriebsmanagers – und verschiedene Aufgaben aus deren täglicher Arbeit oder die Planung eines neuen Projektes durchspielen. Außerdem hat man die Möglichkeit, Finanzen, Personal, IT und Produktion sowie Logistik auszuprobieren.

Für die virtuelle IT-Infrastruktur der Contoso GmbH wird Windows und Exchange Server 2003 als Basis, Navision mit der Office-System-Plattform als führende Anwendung eingesetzt; die Zusammenarbeit mit Außenstellen muss man sich über den SharePoint Portal Server vorstellen.

Bestandskunden bei der Stange halten

Microsoft möchte die Bestandskunden behalten und sie auf dem Weg zur künftigen Produktsuite mitnehmen. Deshalb werden zunächst viele Produkte und deren unterschiedliche Versionen parallel laufen, was auch bedeutet, dass in verschiedenen Ländern das Angebot divergiert: So werden etwa in den USA Great Plains und Solomon, in Deutschland Axapta und Navision, sowie in Großbritannien Axapta, Navision und Great Plains aktiv vermarktet. Hinzu kommen internationale Kunden, die beispielsweise auch in Deutschland Support für Great Plains erwarten. Andererseits hat auch jedes Produkt bestimmte Vorzüge: So ist Axapta im Vergleich zu Navision besser für international ausgerichtete Kunden geeignet; Solomon ist besonders stark in der Projektsteuerung.

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Silicon-Redaktion

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