Und natürlich darf’s schon auch was kosten. Oder besser: Es wird mal wieder bestimmt sehr viel kosten.
Rechtzeitig vor dem Fest melden sie sich ja immer. “Bis spätestens 22.12.”. So heißt’s dann stets auf ihrem Wunschzettel, der sich zwischen Postkarten mit verschneiten Tannenbäumchen und Engelchen im Briefkasten findet.
Aber nicht “A merry Christmas and a happy New Year” steht in dem Brieflein. Nein, sie sprechen noch auf die alte Weise, die Finanzbehörden. “Erinnerung an die Abgabe der Steuererklärung(en)” ist da geschrieben.
Und – ebenfalls ganz altertümlich: “Ihr Empfangsbevollmächtigter hat eine Mehrfertigung erhalten.” Im doch sehr viel sterileren, modischen Duktus würde man da von “cc: Steuerberater” sprechen.
Ganz nostalgisch wird einem denn auch zumute, wenn man an langen Winterabenden Belege aus längst vergangenen Tagen sortiert und Formulare ausfüllt, die dem Lauf der Zeit standhaft getrotzt haben und heute noch so aussehen wie eh und je. Das gibt Halt.
Die Welt des Steuerpflichtigen, sie ist eben noch heil. Ein Jedes hat hier seinen Platz, ein Kästchen oder eine Zeile, die sorgsam ausgefüllt werden wollen. Alles ist wohlgeordnet wie in einer altmodischen, glücklichen Familie, über die die väterliche Autorität wacht.
Immer Ärger mit den aufmüpfigen und anspruchsvollen Rotznasen daheim? – Die Aufwendungen für jene sind in Zeile 45 bis 54 der Anlage Kind zum Hauptformular ESt 1A eintragen.
Ja, es herrscht Ordnung. Dafür sorgt allein schon die ultimative Befehlsform, wie sie in Steuerformularen noch gepflegt wird: “ist zu…”. Der Beamten-Imperativ!
Nur langjährige Ehemänner kennen eine noch dringlichere Art der Aufforderung: die Wünsche schöner, aber gelegentlich auch mal etwas schlecht gelaunter Gattinnen. Jene pflegen den Imperativ mit dem Konjunktiv zu umschreiben: “Wenigstens… könntest du.”
Man muss schon sehr mit einander vertraut sein, um derart konstruierte Sätze zu begreifen und daher zu wissen, dass man ihnen tunlichst und schleunigst nachzukommen hat. Und genauso ist’s bei den Weisungen der Finanzbehörden.
Auch deren Sprache ist nicht leicht zu verstehen. So heißt es etwa in Zeile 22 des Formulars USt 2A: “Die Zeilen 23 und 24 sind nur auszufüllen, wenn… auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG nicht verzichtet worden ist.”
Da wird wohl so mancher rätseln, ob “nicht verzichtet” jetzt als doppelte Negation im norddeutschen Sinne zu verstehen ist, welche sich dann zu einer Position aufheben würde. Oder doch eher als bayerische – will sagen: besonders emphatische – Negation in der Art von “gar nie nicht”.
Aber wenn erst einmal geklärt ist, wo’s lang geht, dann herrscht Harmonie – in der Familie und zwischen Steuerzahler und Finanzbehörden. Man versteht sich halt und gibt sich Kosenamen.
“Stpfl” (Formblatt ESt 1A, Zeile 104) beispielsweise nennt das Finanzamt die Seinen. Das ist doch nett!
Und in die kleine, heile Welt des Stpfls hat mittlerweile ebenfalls die High Tech Einzug gehalten. Wie in der Familie. Da leuchten die großen Kinderaugen schließlich auch nicht mehr beim Anblick einer elektrischen Eisenbahn unterm Weihnachtsbaum. Sondern vorzugsweise beim Monster-Massakrieren an der Xbox.
Und des Stpfls Hochtechnologie ist absolute Spitzenklasse. Was man unschwer schon am Namen erkennen kann.
Das beste Akronym seit POWER! Jenes steht ja für Performance Optimization with Enhanced RISC (Reduced Instruction Set Computing). Und dieser Chip ist vor allem deshalb wichtig, weil er nicht nur in ein paar Servern und Supercomputern steckt, sondern auch in jener Xbox.
ELSTER nun nennt sich das Stück Technik, das den Stpfl ins Internet-Zeitalter befördert hat. Aufgelöst heißt das elektronische Steuererklärung. Was aber wie bei POWER nicht so wichtig ist. Aber das Kürzel ist klasse! Ein echter Werbe-Gag.
So up to date ist das gute, alte Finanzamt. Denkt sich Marketing-trächtige Akronyme aus wie ein Global Player. Obwohl es sich in Sachen Kunden-Akquise und -Bindung doch nun wirklich nicht anzustrengen braucht.
Ja, und deswegen sind wir, die wir an langen Winterabenden Belege sortieren, uns an längst vergangene Tage erinnern und daran erfreuen, dass wir schon ganz viele Zeilen der Formblätter ESt 1A und USt 2A ausgefüllt haben, nicht mehr bloß Stpfls, sondern quasi Stpfls over TCP/IP. Und mit dem Geld, das das heuer wieder kostet, könnte man viele kleine Monsterschlächter mit einer Xbox glücklich machen.
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