Venture Capital: Deutschland steht sich selbst im Weg
Die deutsche VC-Szene rappelt sich langsam auf. Doch Geld allein löst die Probleme nicht. Den Deutschen fehlt der Mut zum Risiko.
Sowohl Unternehmensgründer wie auch Venture Capitalisten (VC) haben viel Ähnlichkeit mit spielenden Kindern in einer Sandkiste. Den Kopf voller Visionen bauen sie mit Feuereifer an Burgen – erst nicht viel größer als ein Sandkuchen, später dann komplett mit Mauer, Zinnen und Burggraben. Viele solcher Gebilde bröckeln schon während der Entstehung, einige wenige dagegen schaffen es zu solider und ungeahnter Größe. Gelungene Projekte wie der VoIP-Spezialist Skype sorgen am Ende auch bei denjenigen für leuchtende Augen, die das Unternehmen weder gegründet noch unterstützt haben.
Trotz der gemeinsamen Leidenschaft ist es für Jungunternehmer und VC-Geber oft schwer, zueinander zu finden. Gerade in der absoluten Anfangsphase, in der es kaum mehr als eine Idee gibt, wird kaum eine Venture-Capital-Firma ihr Geld zur Verfügung stellen. “In dieser Phase haben wird dauernd mit VCs gesprochen, im Endeffekt hat es dann aber zwei bis zweieinhalb Jahre gedauert, bis wir Erfolg hatten.” Jan Hichert hat gemeinsam mit zwei Freunden im Jahr 2000 die Firma Astaro gegründet, die Komplettlösungen für Netzwerksicherheit vertreibt.
Bis zum Einstieg der Venture Capitalists stammte das Geld hauptsächlich aus Quellen, die Hichert als “FFF-Funding” zusammenfasst – Family, Friends and Fools. Dank dieser Unterstützung machte Astaro bereits einen Umsatz von zwei Millionen Euro und hatte mehrere Preise abgeräumt, als das Risikokapital dann doch noch floss. Zu diesem Zeitpunkt ging der Aufbau des Unternehmen in die nächste Phase, sagt Hichert im Gespräch mit silicon.de. Eine Phase, in der es vor allem um Geld, weniger um gute Ratschläge ging. “Das wichtigste am Venture Capitalisten ist schon das Scheckbuch. Den Rat, wie man ein Softwareunternehmen am besten aufbaut, kann man sich zur Not auch woanders holen.” Allerdings, so räumt er ein, bei der Größe, die Astaro heute erreicht hat, sei die Deal-Erfahrung und das Know-how eines VCs viel Wert.
Börsen versprühen Optimismus
Mit Insight Venture Partners und Wellington Partners haben die Astaro-Gründer einen amerikanischen und einen deutschen Risikokapitalgeber hinter sich. Das ist deshalb bemerkenswert, weil deutsche Venture Capitalisten nicht gerade dicht gesät sind. Eine Gründungseuphorie sorgte in den Jahren 1995 bis 2000 für jährliche Wachstumsraten von 85 Prozent. Das Platzen der Dotcom-Blase hat den noch jungen Markt dann drastisch zurückgeworfen – in den USA waren die Auswirkungen aufgrund der langen Tradition vieler VCs nicht ganz so dramatisch.
Doch auch in Europa seien die Jahre dümpelnder Depression überstanden, sind sich Marktbeobachter einig. Ein Grund für den Optimismus ist der Blick an die Börsen – diesseits und jenseits des Atlantiks. So war in den ersten drei Quartalen des Jahres 2005 die Zahl der Börsengänge in Europa doppelt so hoch wie in den USA, besagt die Untersuchung ‘IPO Watch Europe 2005’ von PricewaterhouseCoopers. Einige prominente Börsengänger – wie Interhyp, Jerini, net mobile oder Tipp24 – stammen aus Deutschland. Diese gute Stimmung sei der beste Nährboden für junge Unternehmen.
Doch wie es scheint, steht sich Deutschland selbst im Weg. Risikoaversion ist das Stichwort, das in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht. “Deutsche Investoren haben kein Vertrauen in Deutschland”, sagt zum Beispiel Bart Markus, General Partner beim Venture Capitalisten Wellington Partners. Deutsche Geldgeber streben nach seinen Worten in erster Linie nach einer Minimierung der Downside, also den Nachteilen – sprich Verlusten – die mit einem Investment verbunden sein können. Am Ende seien sie an lauter halbwegs rentablen Firmen beteiligt, die großen Knaller – Stichwort Skype – fehlten jedoch. Genau die braucht es aber nach Markus’ Überzeugung, um als Risikokapitalgeber wirklich Geld zu verdienen.
“Außerdem kommen in Europa und Deutschland viele VC-Geber aus der Finanzwelt. In den USA sind es eher Unternehmer, die haben in der Regel mehr Gespür für den Markt.” Auf Nummer sicher gehen, ist bei Risikokapitalgebern keine gefragte Tugend. Stattdessen kalkuliert man bei Wellington, dass von zehn Firmen fünf es gerade soweit schaffen, dass man das investierte Geld zurückbekommt, vier gehe pleite und eine schafft den großen Durchbruch. “Mit dieser Quote kann man gut Venture Capital betreiben. Wenn man solche Big Exits jedoch nicht dabei hat, wird es schwierig, da die großen Renditen fehlen.”
Angst vor dem Scheitern
Aber auch auf der anderen Seite würde sich Markus mehr Mut zum Sprung ins kalte Wasser wünschen. “Vielen Managern reicht es, wenn Sie bei einer renommierten Firma ein gutes Gehalt verdienen. Sie scheuen das Risiko, sich mit einem Unternehmen selbständig zu machen und dabei möglicherweise zu scheitern.” Das hängt auch mit dem Ruf zusammen, den gescheiterte Unternehmer in Deutschland haben. Böse Zungen behaupten, deren soziales Prestige liege noch unterhalb dem eines Abteilungsleiters bei Siemens. “Dabei müsste diese Risikobereitschaft belohnt werden.”
Was nicht bedeutet, dass es sie nicht gibt, die engagierten Jungunternehmer mit Innovationen im Gepäck. Rund 1500 von ihnen sprechen pro Jahr bei Wellington vor – in fünf wird am Ende investiert. Das entspricht einer Quote von 0,3 Prozent. Technologisch gesehen haben Deutschlands Jungunternehmer zusammen mit ihren französischen Kollegen europaweit die Nase vorn – in Sachen Management stehen sie jedoch ganz hinten in der Reihe.
“Die Unternehmer denken nicht groß genug – sie sind froh, wenn sie am Ende einen Umsatz von 20 Millionen Dollar erreicht haben. Das Ziel müssen aber Umsätze von 500 Millionen oder einer Milliarde sein”, sagt VC-Geber Markus. Langsam setze aber in Europa ein Umdenken ein. Zum Beispiel auch darüber, dass es ein exzellentes Management braucht, um eine Firma nach vorne zu bringen. “In diesem Sinne müssen sich die Gründer ab einem gewissen Punkt manchmal zurückziehen, um die Leitung in die Hände von erfahrenen Managern zu geben.”
Um dem vorzubeugen, haben die drei Astaro-Gründer schon in der Anfangsphase “erfahrene Hasen ins Boot geholt, so hatten wir früh ein gutes Management-Team”. Seiner Meinung nach ist das auch überhaupt die Voraussetzung dafür, VC-Geld zu bekommen. Hinterherlaufen habe dagegen keinen Sinn. “In den ersten zwei Jahren sollten sich Unternehmensgründer deshalb darauf konzentrieren, ihr Produkt zu entwickeln – wenn man interessant ist, kommen die VCs automatisch auf einen zu.”
Investoren suchen Investoren
Aber nicht nur für Firmengründer ist es schwierig, an Geld zu kommen. Auch für die Venture Capitalisten ist es harte und langwierige Arbeit, bis ein Fonds geschlossen werden kann. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase verschwanden nicht nur horrende Geldsummen ins Nirvana, auch die Investoren waren weg. Und die Branche kommt nur schleppend wieder in Gang. Nach den neusten Zahlen des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) beliefen sich die VC-Investitionen in Deutschland im Jahr 2005 auf drei Milliarden Euro, die in 983 Unternehmen flossen. Im Jahr 2004 waren es zwar noch 3,7 Milliarden, “jedoch konnte ab dem 3. Quartal eine Aufwärtsbewegung festgestellt werden”, so der Verband. Soll heißen, es fließt zwar wieder verstärkt Geld in deutsche Start-ups, die Quelle allerdings entspringt meist außerhalb des Landes.
“Deutsche Investoren haben kein Vertrauen in Deutschland”, sagt Bart Markus. Den jüngsten Fonds hat Wellington Anfang 2005 geschlossen, deutsche Investoren sind darin nur vereinzelt vertreten. Wie auch. Banken machen schon lange keine Early-Stage-Finanzierung mehr, institutionelle Anleger wie Versicherungen oder Pensionsfonds legen ihr Geld lieber in sichere Anlagen an und auch deutsche Großunternehmen, die Venture Capital in vielversprechende Nachwuchsfirmen stecken, lassen sich an einer Hand abzählen. “Die einzigen, die hier erfolgreich sind, ist Siemens Venture Capital”, so Markus. Vereinzelt kämen auch SAP und die Deutsche Telekom als strategische Co-Investoren zum Einsatz.
Etablierte deutsche Firmen investieren nicht in deutsche Start-ups, dadurch wandern die Headquarters und die Werte nach USA”, kritisierte auch IDS-Scheer-Gründer Professor August-Wilhelm Scheer während der German Tech Tour 2005. Die Bundesregierung – die alte und die neue – hat sich vorgenommen, das zu ändern. Im August 2005 fiel der Startschuss für den High-Tech-Gründerfonds, aus dem Risikokapital in junge Unternehmen fließen soll. Gemeinsam mit der KfW Bankengruppe und den Konzernen BASF, Deutsche Telekom und Siemens hat die Bundesregierung 262 Millionen Euro in den Gründerfonds gesteckt.
Hinzu kommt das Geld aus dem ERP/EIF Dachfonds. Er unterstützt die Errichtung und Finanzierung von Venture-Capital-Fonds, die in deutsche Unternehmen in der Früh- und Wachstumsphase investiert. Das Kapital von 500 Millionen Euro stammt zur Hälfte aus den Europäischen Investitionsfonds (EIF) und zur anderen Hälfte aus dem ERP-Sondervermögen (Eurpoean Recovery Programs). Auch wenn solche und ähnliche Initiativen das Ruder wohl kaum komplett herumreißen können, werden sie von VC-Experten begrüßt.
Ähnlich wie der mangelnde Mut zum Risiko lassen sich aber auch einige andere Voraussetzungen für eine florierende Gründerszene nicht von oben verordnen. “Die USA sind ein Produktmarkt, Deutschland ein Service-Markt – da ist das Interesse in neue Lösungen zu investieren nicht so hoch”, sagt Astaro-Gründer Hichert und kritisiert, dass es junge Unternehmen in der Anfangsphase in Deutschland besonders schwer haben, ihre Produkte zu verkaufen. “In den USA gibt es eine Art Underdog-Bonus, deutsche Firmen kaufend dagegen lieber von einer großen US-Firma anstatt von einer kleinen deutschen Firma.”
Darüber muss sich Jan Hichert keine Gedanken mehr machen. Astaro kommt inzwischen in mehr als 25.000 Netzwerken in 40 Ländern zum Einsatz. Der CEO macht auch keinen Hehl daraus, dass seine Zukunftsvisionen inzwischen mit einem Börsengang zu tun haben. “Wir haben da ein nahes Auge drauf, schließlich gibt es wieder mehr Börsengänge in Europa.” Trennen würde er sich dagegen nur ungern von der Firma. “Primär geht es um den Spaß, einen Organismus aufzubauen. Ein Verkauf ist zwar finanziell interessant, aber man hat dann eben keinen ‘Sandkasten’ mehr zum basteln.”