Contest der Vorzüglichkeitshaufen
Die Vorausscheidung ist gelaufen. Bild schreibt drüber. Und larmoyante Loser jammern öffentlich. Eine der vielen medialen Trash-Events halt, wie sie beim Publikum heute so beliebt sind.
“Deutschland sucht…” diesmal aber – und das macht die Sache ein wenig peinlich – die Super-Uni: Die Berliner Humboldt-Universität ist draußen. München noch mit zwei Hochschulen dabei. Exzellenz-Wettbewerb heißt die akademische Low-Budget-Show offiziell.
Ansonsten aber gibt’s jede Menge Gemeinsamkeiten zwischen dem Original auf RTL und dem bemühten wissenschaftspolitischen Remake. Die Macher von beiden reden viel von Leistung und Wettbewerb. Und das, obwohl es sich in beiden Fällen weder um die Marktpreisbildung noch um eine Sportveranstaltung handelt.
Um Musik geht’s – irgendwie – beim einen. Um Wissenschaft – ebenfalls irgendwie – beim anderen. Beides aber entzieht sich, wenn man’s ernst nimmt, der Konkurrenz.
Wissenschaftler nannte man früher Philosophen. Die hießen so, weil sie die Weisheit liebten und nicht weil sie sich an Toren gemessen hätten. Und Künstler haben’s schon seit jeher mit dem Absoluten. Denen ist Relativismus eh wesensfremd. In Wissenschaft und Kunst wird keiner wirklich gut, der sich damit zufrieden gibt, besser als ein anderer zu sein.
Gut, den RTLern traute man es ja durchaus zu, dass sie – sollte das zweistellige Einschaltquoten versprechen – auch die Zuschauer per Handy-Voting darüber abstimmen lassen würden, ob Beethovens Fünfte, die G-Moll-Symphonie von Mozart oder doch Bachs Matthäus-Passion der Mega-Classic-Superhit sei. Aber Kultusminister, Rektoren und Professoren?
Die sollten doch eigentlich wissen, dass die Theorie, wonach die Energie dem Produkt aus Masse und der Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat entspricht (Einsteingleichung), entweder stimmt oder nicht stimmt. Keinesfalls aber ist sie graduell besser oder schlechter als die Behauptung, die Summe von kinetischer und potentieller Energie sei konstant (Energieerhaltungssatz).
Eher als die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Albert Einstein und Hermann von Helmholtz könnte man da schon die beiden Super-Wettbewerbe aneinander messen. Da würde dann sogar Dieter Bohlen mit seiner Rhetorik (“mein Superhypermegadiamant”) punkten.
Denn die schwache akademische Konkurrenz ist semantisch noch skrupelloser als er. “Exzellenz-Cluster” und Elite-Unis sucht jene. Was wohl toll klingen soll.
Das Wort “Exzellenz” allerdings ist nur als Anrede für Staatsoberhäupter und Bischöfe korrekt. Mitnichten aber bildet es das Substantiv zu exzellent (vorzüglich).
Bei einem Cluster wiederum handelt es sich meist um einen technisch nicht sehr anspruchvollen Verbund von Billig-Rechnern. Auf anderen Gebieten, wie in der Astronomie und der Biologie, übersetzt man es am besten mit “Haufen”.
Und eigentlich auch nicht sehr schmeichelhaft ist das modische “Elite”. War es doch ursprünglich lediglich als Qualitätsbezeichnung für Handelsware (Elitegarn) in Gebrauch.
Vor allem aber, wenn’s ums Wesentliche geht, sind die Profis vom Kommerzsender um Klassen besser als die Amateure aus den Ministerien und Rektoraten. Während der letzten Finalrunde von “Deutschland sucht den Superstar” ließ sich RTL die Ausstrahlung von Werbespots mit 64.000 Euro pro halbe Minute vergüten.
Und per Telefon abzustimmen, kostete 49 Cent. Wie viele angerufen haben, sagt der Sender nicht. Aber bei der entsprechenden Show in Großbritannien waren’s 35 Millionen.
Geld ist auch das, was am High-Tech-Standort Deutschland fehlt: Einen Akademiker auszubilden, kostet 100.000 Euro. Ein Medikament zu entwickeln, 500 Millionen. Einen Prozessor 5 Milliarden. Aber gerade mal um 20 Millionen pro Hochschule geht’s beim Exzellenz-Wettbewerb.
Da denken die Superstar-Profis schon in anderen Größenordnungen. Wenn die ein Spektakel veranstalten, dann muss es sich auch lohnen.
Aber vielleicht lernen die Akademiker noch. Das Finale ihres Contests steht schließlich noch an. Man könnte ja den Gewinner mittels eines kostenpflichtigen E-Votings ermitteln. Das brächte Geld in die Kasse.
Und als Schmankerl könnte man unter denjenigen, die an der Abstimmung teilnehmen, einen Preis verlosen: Passend wäre doch ein einwöchiges Propädeutikum – Deutsch für Wissenschaftspolitiker.