Bill Gates gefällt sich offenbar blendend in der Rolle als selbsternanntes IT-Orakel. Zwar hat er erst vor einer Woche am eigenen Prophetenleib erfahren, wie schnell unglaubwürdig wird, wer ungeschriebene Orakel-Gesetze missachtet – schon macht er den nächsten Fehler.
Zuvor ist er immerhin für die Weissagung stilecht auf einen Berg gestiegen und richtete oben – genauer gesagt im tiefverschneiten, schweizerischen Davos – angekommen den Blick gen Sonnenaufgang. “In China und Indien wird es noch zehn Jahre dauern, bevor wir dieses Niveau erreicht haben”, so seine Botschaft in Bezug auf die Situation der Softwarepiraterie in den Ländern im Vergleich zu den USA und Europa. Er sei jedoch optimistisch, dass die beiden Länder künftig geeignete Lizenzierungspraktiken übernehmen und damit geistiges Eigentum respektieren.
Freilich war diese Prophezeiung auch ein Appell an diese Länder. Tatsache ist jedoch, dass in exakt zehn Jahren findige Beobachter, die Situation in Indien und China genau unter die Lupe nehmen werden und sie im Zweifel Bill Gates unter die Nase reiben werden. So geschehen vor einer Woche. Anders als vor zwei Jahren von Orakel Gates vorhergesagt, ist das Spam-Problem nämlich bekanntlich noch nicht gelöst. An dieser Stelle sei deshalb noch mal gesagt: Was ein gutes Orakel sein will, sollte konkrete Zeitangaben meiden.
Bill Gates hat übrigens in ein und der selben Ansprache den magischen Zehn-Jahres-Zeitraum gleich noch mal bemüht. All die von ihm vorhergesagten Veränderungen würden nicht über Nacht geschehen, sagte er. Auch in zehn Jahren würde der Großteil von Microsofts Forschungs- und Entwicklungsarbeit noch in den USA stattfinden. Das hätten wir glatt auch ohne Orakel vermutet.
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