Individualsoftware ist nicht totzukriegen
In immer mehr Unternehmensbereichen setzt sich Standardsoftware durch. Doch trotz dieses Trends gibt es noch immer einen Markt für Individuallösungen. Den Anwendern geht es dabei zwar auch um Kosten, aber vor allem um Funktionalität.
“Wir hatten bereits SAP-Software im Haus und hätten gerne darüber alles abgebildet”, sagt Wolfgang Zender, IT-Leiter der GEZ, rückblickend, “aber das wäre uns deutlich teurer gekommen und vor allem konnte uns niemand die erforderliche Performance garantieren.” Denn in Sachen Leistungsvermögen hatte die GEZ besondere Anforderungen: “Ein Telekommunikationsunternehmen oder ein Energieversorger muss vielleicht acht Millionen Buchungen auf einen Rutsch ausführen, aber bei uns sind es 17 Millionen”, verdeutlicht Zender die Dimension.
Individuelle Anpassung an den Prozess
Die neu entwickelte Anwendung für den Gebühreneinzug der GEZ umfasst die Funktionen Abrechnung, Mahnwesen, Zahlungseingang und -ausgang sowie Customer Relationship Management (CRM) und Hauptbuchhaltung. Darüber hinaus galt es 140 Batch-Verfahren und 45 Schnittstellen zu realisieren. Als Datenbank kommt eine DB2 auf einem IBM-Großrechner zum Einsatz. Die Applikation ist vollständig in Java geschrieben worden, sowohl die Batch-Massenverarbeitung als auch das CRM-System. Seit dem vergangenen Jahr ist sie im operativen Einsatz.
Auch die Krombacher Brauerei in Kreuztal setzt seit dem Jahr 2003 ein Außendienst-Informationssystem ein, das aus einer Individualentwicklung hervorgegangen ist. “Kommerziell erhältliche Produkte hatten einen zu geringen Abdeckungsgrad für unsere Prozesse, und die Kosten für eine Adaption der Systeme wären zu hoch gewesen”, erläutert Johannes Truttmann, Leiter der Informationsverarbeitung bei Krombacher.
Als Grundlage des Außendienst-Informationssystems dient die Lotus-Produktsuite von IBM: Der Domino-Server steuert das Außendienst-Informationssystem und versorgt den Innendienst mit Daten. Die Integration des Domino-Servers mit dem Back-end erfolgt über die Datenpumpe Lotus Enterprise Integrator.
Nicht immer müssen die Gründe so drastisch sein, wie im Fall der GEZ oder Krombacher. Aber auch Christian Seifert, Vorstandvorsitzender des Offenburger E-Business-Lösungsanbieters Avenit, sieht im Fehlen eines passenden Standardprodukts den wichtigsten Grund für eine Individuallösung: “Sie ist oft eine Ergänzung für eine bestehende Infrastruktur.” Avenit erwirtschaftet laut Seifert 40 Prozent seines Umsatzes mit der Entwicklung von Individualsoftware. Kleinere Projekte würden meistens “auf Zuruf” abgewickelt, bei größeren sei anschließend ein Support-Vertrag sinnvoll.
Sowohl Seifert als auch IT-Innovations-Geschäftsführer Deinhard bestätigen, dass Unternehmen, die sich für eine Individuallösung entschieden hätten, in der Regel großen Wert auf einen entsprechenden Know-how-Transfer legten. “Solche Softwareentwicklungen müssen transparent und gut dokumentiert sein, weil die Anwender eigene Kompetenz im Unternehmen aufbauen wollen”, sagt Seifert.