Ein höherer IQ für das Web
Das ‘Semantic Web’ soll das herkömmliche Web intelligenter machen. Die Webdaten werden mit zusätzlichen Informationen angefüttert und sind so leichter auffindbar.
Erste Anwendungen
Die Befürworter des Semantic Web wollen dabei das Rad nicht neu erfinden. “Beim Semantic Web handelt es sich um eine Anpassung von bereits etablierten Techniken an den neuen Kontext des Webs”, sagt François Bry, Professor am Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität München.
So gebe es viele Lösungen, die auf Semantik beruhen – etwa Business-Rules-Anwendungen, Integritätsbedingungen in Datenbanken und firmenweite Informationssysteme. Diese würden meist zentral oder nach zentralen Ansätzen konzipiert und verwaltet. Beim Semantic Web gehe es jedoch darum, diese Anwendungen auf den offenen Kontext des Internet auszudehnen.
Ein Beispiel einer Semantic-Web-Anwendung ist die Suchmaschine ConWeaver, an der das Darmstädter Fraunhofer Institut IPSI arbeitet. ConWeaver diene der Suche in firmeninternen Tools, sagt Fraunhofer-Mitarbeiterin Andrea Dirsch-Weigand. Ein Integrations- und Indexierungsmodul vernetze Daten aus Quellsystemen wie IBM Lotus Notes und SAP und beschreibe diese auf der Bedeutungsebene.
ConWeaver nutze die semantischen Beschreibungen, um nicht nur mit dem genauen Wortlaut der Suchanfrage zu suchen, sondern mit bedeutungsgleichen Formulierungen. So könne beispielsweise ein Marketingfachmann im Portal einer Maschinenbaufirma technische Dokumente finden, obwohl er die Ingenieurssprache nicht beherrsche.
Hürden für das Semantic Web
“Ein Hindernis für die Verbreitung des Semantic Web ist, dass semantische Annotationen (Zuweisungen) durchgeführt werden müssen, damit im Web verfügbare Inhalte auch semantisch auffindbar werden”, sagt Andrea Kulas, Koordinatorin für Technologietransfer beim EU-Projekt Rewerse. Bislang gebe es nur wenige semantische Zuweisungen, da deren Nutzen noch zu wenig bekannt sei.
Zudem hätten Adobe, Macromedia und Microsoft bislang keine Autorenwerkzeuge auf den Markt gebracht, in die Semantic-Web-Techniken integriert sind. Kommen diese Tools heraus, werde es für die Hersteller von Inhalten einfacher, ihre Seiten Semantic-Web-fähig zu machen, so Kulas.
“Es gibt noch keine Tools, mit denen Otto Normalverbraucher Dokumente oder Webinhalte ohne langes Nachdenken semantisch annotieren kann”, heißt es auch von Georg Gottlob, Professor für Computerwissenschaften an der TU Wien. Würde etwa Microsoft Word über diese Funktion verfügen, “könnte es schnell zu einer kritischen Masse von annotierten Dokumenten im Web kommen”.
Zudem sei in den Bereichen algorithmische Aspekte des semantischen Schließens (Semantic Reasoning) und des ontologischen Schließens in verteilten Systemen noch viel Forschung vonnöten, so Gottlob. (Eine Ontologie ist die Gesamtheit bestimmter Elemente, die einen Bereich einer Semantic-Web-Anwendung beschreibt.)
Standards bereits etabliert
An fehlenden Standards wird das Semantic Web jedenfalls nicht scheitern, meint Gerd Wagner, Professor für Internettechnik an der TU Cottbus. “Es gibt inzwischen W3C-Standardformate für Metadaten-Annotationen und allgemeine Datenbankfakten (RDF) sowie für Vokabulare und Ontologien in der Form von Klassen- und Property-Definitionen (RDFS und OWL).”
Die Object Management Group (OMG) habe zudem einen Standard entwickelt, der eine Brücke zwischen UML (Unified Modeling Language) und RDF (Resource Description Framework) sowie OWL schlage: das ‘Ontology Definition Metamodel’ (ODM). ODM erlaube es, Web-Vokabulare und -Ontologien mit Hilfe von UML zu definieren.
Der nächste Schritt sei die Entwicklung von Standardformaten für Regeln, so Wagner. An einem solchen Format arbeiteten sowohl das Projekt Rewerse als auch die W3C-Arbeitsgruppe ‘Rule Interchange Format’. Auch die OMG arbeite an solchen Formaten – und zwar speziell für Business Rules (SBVR) und für Produktionsregeln (PRR).