“Microsoft blockiert die freie Wahl der Suchmaschine”
Microsoft hat seinem neuen Browser ‘Internet Explorer 7’ (IE 7) ein kleines Eingabefeld mitgegeben, das den Anwender direkt auf den Suchdienst von MSN lotst. Google hält es für wettbewerbsverzerrend.
Die Situationen ähneln sich. Das was den Anbieter des Real Players auf Desktopebene immer störte, nämlich der mit dem Betriebssystem Windows gekoppelte Microsoft-eigene Media Player, lässt jetzt auch Google toben. Der Suchmaschinenbetreiber wirft dem Software-Konzern vor, durch die Koppelung des Suchdienstes mit dem neuen IE 7 seine Vormachtstellung auf dem Browsermarkt für eigene Zwecke zu nutzen.
Das Geschäft mit den Suchmaschinen ist in jüngerer Vergangenheit explodiert. Es geht nicht mehr nur allein um die Suche nach Begriffen. Heute sind Suchportale einer der lukrativsten Werbemärkte überhaupt und deshalb der Umfang des Streits ungleich umsatzschwerer als der Disput mit Real, wenn auch nicht weniger grundsätzlich. Nach wie vor geht es letztlich um die Frage, ob Microsoft seinen Browser mit zusätzlichen Funktionen spicken darf, die für andere Hersteller Inhalt ihres Kerngeschäfts darstellen.
Für Google ist die Antwort klar. “Der Anwender will selbst wählen können, welche Suchmaschine er benutzt. Die Anbieter sollten mit ihren Qualitäten beim Kunden werben”, erklärte Marissa Mayer, Vice President Suchprodukte bei Google gegenüber der New York Times. Die Default-Einstellung zugunsten MSN sei nicht richtig. Auch Yahoo hatte bereits im vergangenen Jahr Bedenken geäußert, nachdem Microsoft Pläne veröffentlichte, wonach der nächste IE mit der Suchmaschine von MSN gekoppelt werde.
Microsoft hat immer alle Zweifel weggewischt. Eine Personalisierung des Browsers sei jederzeit und ganz einfach möglich. Niemand müsse die MSN-Suche benutzen, wenn er nicht wolle. Allerdings sei der neue IE in Zusammenarbeit mit vielen Anwendern entwickelt worden, und die hätten sich für die MSN-Funktion ausgesprochen. Zudem verkompliziere es den Setup-Prozess zusätzlich, wenn der Anwender bei jeder Funktion wählen könne. Die Festlegung mit der Option, sie später zu ändern, sei für den Nutzer wesentlich komfortabler, erklärte Microsoft gegenüber der Zeitung.
Google reicht diese Option freilich nicht. Wohl nicht zuletzt deshalb forciert der Anbieter seine Partnerschaft mit einem IE-Rivalen. Eigens für Mozillas Firefox bietet Google eine Toolbar an. Und auch der dritte nennenswerte Browser am Markt, Opera, ist per default auf Google gepolt.
Insofern verhält sich Google kaum anders als Mircosoft. Die eigene Stellung ausbauen ist das beherrschende Argument, und was Microsoft für die Desktop-Welt ist, markiert Google für das Geschäft mit den Suchmaschinen. Insofern nehmen sich die beiden nichts. Außerdem wildern die ehemals nicht als direkte Konkurrenten auszumachenden Hersteller im Revier des jeweils anderen. Sucht Microsoft die rivalisierende Nähe im Suchmaschinen-Business, gönnte sich Google immer häufiger einen Ausflug in die Microsoft-typischen Gefilde.
Unter dem Überbegriff Webservices packt der Betreiber mit den bunten Buchstaben inzwischen ein Mailprogramm, Adressen- und Kalenderverwaltung sowie sogar ein Textverarbeitungsprogramm, das er mit der Übernahme von Writely ins Portfolio aufnehmen konnte, und das Anwender auch unterwegs auf ihrem Handeld benutzen können. Laut der Times befürchtet der Gates-Konzern, Google könne eine Art Betriebssystem für das Internet werden. Und wie schwer dann die Konkurrenz wiegt, das weiß der Hersteller aus eigener Erfahrung gut. Hat sich ein System erst einmal technisch und in den Köpfen der Benutzer etabliert, kommen andere kaum dazwischen. Microsoft hält immer noch mehr als 80 Prozent am Markt für Betriebssysteme und weiß wovon er spricht.
Google wiederum weiß, dass man Microsoft mit dem Vorwurf der Monopolstellung zur Weißglut bringen kann, muss sich der Software-Anbieter doch deswegen derzeit wieder vor der EU erklären. Die Betreiber der Suchmaschine können davon ausgehen, dass jede Unterstellung dieser Art von den europäischen Richtern genauestens untersucht werden wird.
Möglicherweise ist die neue Anschuldigung aber auch als kleines Ablenkungsmanöver gedacht, das die Blicke von einer Niederlage abwendet. Der Online-Händler Amazon nämlich hat verkündet, die neue Suchmaschine Windows Live von Microsoft Google vorzuziehen. Laut Wall Street Journal wollten sich weder Amazon noch Microsoft zu dem Deal äußern. Fest steht, dass die Technologie den Amazon-Suchdienst A9 unterstützen soll. A9 ist eine Standalone-Suchmaschine, die gezielt unter anderem in Büchern, Blogs und Filmen sucht. Zugunsten von Microsoft hat Amazon die Kooperation mit Google aufgekündigt.