Vom Content Management zur Content Supply Chain
Der zunehmende Datenwust aus verschiedenen Formaten, die vielfältige interne und externe Kommunikation und die Zusammenführung verschiedenster Datenformate zwingen zu einem neuen Denken im Enterprise Content Management (ECM).
Auf der anderen Seite hätten die Finanzskandale rund um Enron oder Worldcom dazu geführt, dass die Firmen akribisch alles sammelten und mittlerweile “in der Datenflut ertrinken”. “Die Hersteller stoßen mit ihren Ansätzen auf offene Ohren – nicht sehr hilfreich ist dabei aber, dass sie unterschiedliche Begriffe für ein und dieselbe Sache verwenden”, bemängelt er. ECM, WCM, KM, ILM, DMS, IDMS und andere Akronyme hätten für die Kunden wenig mit ihren alltäglichen Schmerzen rund um Textverarbeitung oder Finanzbuchhaltung zu tun – hier müssten die Hersteller ansetzen.
Und dies nicht im alles erschlagenden Ansatz, der bei Kleidung “One size fits all” heißen würde. Er rät zum Buffet-Angebot. “ECM kann keine Betonsäule sein, die jedes Problem stützt, die Kunden müssen in der Lage sein, sich aus einer möglichst kompletten Vielfalt an Problemlösungen das für sie Passende zusammenzustellen, und zwar jeden Tag neu, wenn sie das wollen”, sagt er. Dabei sei es wichtig, nicht nur die Lösungsseite zu sehen, sondern die spezifischen Bedürfnisse einzelner Abteilungen.
Viele kleine Zahnräder müssen sich drehen
“Der Anwender aus dem Posteingangsbereich braucht andere Werkzeuge als der aus der IT, der aus dem Management hat vielleicht eine kleine gemeinsame Schnittmenge mit dem, was der Marketingchef braucht, auf dem ‘Teller’, doch die Unterschiede werden auch hier überwiegen.” Dabei spiele es eine untergeordnete Rolle, dass ein Unternehmen niemals alle Werkzeuge gleichzeitig auskoste – wichtiger sei, die Möglichkeit für diesen Einsatz potentiell vorzuhalten und den Kunden mit keiner Frage allein zu lassen.
Die meisten Content-Systeme decken ihm zufolge nur bestimmte Funktionen wie Archivierung oder Records Management ab – er begrüßt aber eine noch junge Tendenz am Markt, auch für den Mittelstand über umfassendere Ansätze nachzudenken. Internationalen Anbietern rät er dazu, weniger Komplexität zu fahren und ihre Lösungen granularer zu machen. Die weitverbreiteten Insellösungen würden graduell durch funktional umfassende Lösungen ersetzt.
“Typischerweise fangen Mittelständler mit einer Dokumentenverwaltung an und erweitern sie dann, typischerweise erst um Mailarchivierung, Office-Erweiterungen, Löschfristenverwaltung oder ähnliches – Hersteller die dies beachten, können hier Geld verdienen”, so Bernhard Zöller. Sie dürften nur nicht aus den Augen verlieren, dass “kein Content-Problem alle ECM-Funktionen auf einmal benötigt”.
Supply Chain für Inhalte
Für den international tätigen US-Hersteller Vignette ist dabei die Frage der Terminologie interessant. “Wir müssen anfangen so zu sprechen, dass uns die Kunden verstehen, denn keiner von ihnen will von uns ECM – sie haben entweder Probleme mit der Formatspeicherung, mit der Performance der Website oder mit der Replizierung von Vorgängen; wer nur in Akronymen spricht, redet über ihren Kopf hinweg”, weiß Conleth O’Connell, Chief Technlogy Officer (CTO) von Vignette. Er will dafür sorgen, dass ECM vom Begriff her mehr in Richtung des Kunden wandert – andernfalls, so sagt er, müssten die Hersteller völlig zu recht mit einem “Untergang epischen Ausmaßes” rechnen.
Dabei sei entscheidend zu erfahren, was der Kunde unter Content verstehe. “Wenn man die Definition wissenschaftlich betrachtet, zählen dazu alle Informationen, die für den Kunden relevant sind; die Systematik von Content Management muss sich dem unterordnen”, sagt er. Dabei könne beispielsweise eine “Supply Chain aus Content” herauskommen, die innerhalb und außerhalb des Unternehmens – also Inter- und Intra-Enterprise – die Inhalte in Bewegung hält und bei Bedarf liefert. “Von dieser Versorgungskette sind wir Hersteller zwar noch etwas entfernt, aber das heißt nicht, dass die Kunden, die uns diese Anregungen geben, unrecht haben”, sagt er.
Und diese können aus ganz anderen Branchen kommen, als dies Firmen wie Vignette oder auch Ixos/Opentext gemeinhin die letzten Jahre gewohnt waren. Aus dem Bereich Kommunikation im weitesten Sinne kommen demnach viele Neukunden. Dies seien vor allem Firmen, die in den Konvergenztrend hineinwachsen. Und es soll derzeit noch eine Frage sein, die in Europa entschieden wird, weil sie hier demnach zuerst auftauchte.
Europa könnte den Wachstumstrend im Bereich neuer Medien, konvergenter Dienste im TK-, Mobilfunk-, Content- und Fernsehbereich vor den USA anführen. Sicherlich seien die gewachsenen Traditionen andere, auch die Regulierungssituationen seien nicht zu vergleichen. Doch könne das neue Interesse aus den Branchen nicht übersehen werden, heißt es aus europäischen Managerkreisen von Vignette. Denn hier bringt tatsächlich ruckelfreier und nahtlos integrierter Content baren Mehrwert.