“XAML ist eben keine Neuauflage von HTML”, entgegnet Primbs. Es habe zum Teil andere, weitergehende Anwendungsfälle als diese statische Web-Sprache, und CSS sei schlicht nicht für alle Aufgaben das geeignete Werkzeug. “In WPF gibt es ein Styling-Konzept, das den Anforderungen von WPF besser gerecht wird und von XAML voll unterstützt wird”, fügt Primbs an. Weil sich diese Notation jedoch sehr stark an dem Objektmodell der WPF orientiert, würden sich die Unterschiede von XAML zu vermeintlich ähnlichen Notationen “aus rein Architektur-relevanten Gesichtspunkten heraus” ergeben, wie der Microsoft- Berater Primbs erklärt.
Standards sind gut – wir machen es trotzdem anders
Viel Propaganda sei es, was da von Programmierern aus anderen Lagern teilweise gegen Microsoft ins Feld geführt werde, wendet auch der Gartner-Analyst Driver ein: “Man kann Microsoft hier eigentlich keinen Vorwurf machen. Es gibt in diesem unreifen Markt einfach noch keine Standards, an die man sich halten könnte.” Andererseits habe Microsoft schon in der Vergangenheit viele selbstentwickelte Technologien zu Standards gemacht. Noch sei es aber zu früh, um Microsofts Anstrengungen rund um XAML zu bewerten. “Aber man könnte dennoch durchaus festhalten, dass XAML eine potentielle Bedrohung für Standards im Allgemeinen ist”, bekräftig Driver.
Als Programmierungsmodell für alle Visualisierungsaufgaben überschneidet sich deshalb WPF mit Sprachen wie XUL oder XHTML, enthält zudem Funktionen für Nutzerschnittstellen, Medienwiedergabe sowie 2D- und 3D-Grafik. WPF unterstützt aber auch Dokumentendarstellungen wie zum Beispiel Acrobat oder Flash. “WPF erstreckt sich bis ins Drucksystem und ist damit viel mehr als XHTML oder XUL je war”, fügt Primbs an.
Dieser Ansatz, so der Technologieberater, hebe Microsoft gegenüber den Mitbewerbern ab: “So vollständig geht das Thema derzeit niemand an”, glaubt Primbs. Vom Markt drängen wolle Microsoft niemanden, “aber WPF mag je nach Applikation, die erstellt werden soll, eine bessere technologische Alternative sein.”
Adobe Systems bietet seit der Übernahme von Macromedia nun auch die weit verbreitete Web-Technologie ‘Flash’ an. Hier hat man die Microsoft-Technologie aber noch nicht als Konkurrenten eingestuft. Das Unternehmen sieht sich gegenüber Redmond in einer besseren Position. “Unser Wettbewerbsvorteil ist, dass wir plattformunabhängig sind”, erklärte ein Sprecher von Adobe Systems Deutschland. Außerdem seien bereits eine große Zahl von Anwendungen mit Flash-Technologien realisiert. Gartner-Analyst Driver ist hier derselben Ansicht, glaubt jedoch, dass beispielsweise Flash und das Framework ‘Flex’ von Macromedia direkte Konkurrenten von XAML/WPF sind, zumal diese Teilbereiche der neuen Microsoft-Technologie abdecken.
Offenheit würde manches leichter machen
“WPF”, so der Microsoft-Mann Fischer, “soll im Browser leben, auch wenn WPF oder genauer gesagt WPF/E (Everywhere) dadurch erst einmal eingeschränkt wird”. So müssen die Entwickler zum Beispiel mit einem Caching-Problem fertig werden. Aber WPF kämpft tatsächlich noch mit einem weiteren Problem: “Es ist an die Windows-Plattform gebunden”, gibt Fischer zu. “Wenn wir draußen eine Chance haben wollen, müssen wir auch mit der Mozilla Foundation und Opera zusammenarbeiten.” Jedoch Support für Linux, Mac oder Unix sei “erst einmal nicht” vorgesehen.
Auch Driver macht den Erfolg des künftigen Microsoft-Visualisierungstools von der Flexibilität abhängig und davon, welche Plattformen unterstützt werden. Denn, “das Web tendiert dazu, proprietäre und geschlossene Technologien abzustoßen.” Jedoch räumt er der Microsoft-Strategie einen entscheidenden Vorteil ein. “Das hängt weniger damit zusammen, dass Microsoft hier so einen guten Job macht. Vielmehr haben die künftigen Konkurrenten von XAML noch keine gemeinsame Strategie. Ja, es gibt Flex, Ajax und es gibt das Projekt OpenLaszlo, das mit Flex vergleichbar ist. Aber es ist noch immer ein sehr unreifer Markt”, kritisiert Driver. In etwa fünf Jahren werde man dazu mehr sagen können. Aber bis dahin wird es noch eine Reihe von Entscheidungen geben müssen.
Offenheit hin oder her, einer Kundengruppe ist Microsoft sicher: die Anwenderschaft der ‘Live!’-Produktreihe. Erst vor wenigen Wochen hat Steve Ballmer hier ein milliardenschweres Investment für die kommenden Jahre angekündigt. “XAML und WPF werden in der Produkt-Strategie für Office Live und Windows Live, die sich auch gegen den Erzkonkurrenten Google richtet, sicherlich einen wichtigen Platz einnehmen”, sagt Driver voraus.
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