Jetzt hingegen suchten sich die Angestellten selbst die für sie relevanten Informationen und hätten ein Interesse daran, dass ihre eigenen Beiträge korrekt und aktuell seien. Mehr als 3000 Blogs würden derzeit durch IBM-Mitarbeiter gepflegt. Die Angestellten würden ermutigt, auch Meinungen wiederzugeben. Kompetente Mitarbeiter hätten sich zumindest für IBM als durchaus profilgebend erwiesen. Und die Angestellten akzeptierten gern, dass sie an externen Blogs teilnehmen, schließlich machten das Wissen und die guten Ideen nicht an der Firmengrenze halt.
Alles selbst in der Hand
Warum, erklärt er aus den Erfahrungen der Knowledge-Arbeit heraus: “Zum einen ist es natürlich schick und hip und ein Spielzeug, das sie aus dem Privatbereich kennen. Aber viel wichtiger ist gerade bei Geschäfts-Blogs die Tatsache, dass die Autoren das Gefühl haben, die eigenen Werke kontrollieren zu können.” Der gesamte Lebenszyklus einer Information und Diskussion liege in den Händen des Betreibers. Fehler seien korrigierbar, neue Erkenntnisse problemlos einzupflegen. Die Informationen über ganze Diskussionsstränge lägen vor – was liege näher, als diese Informationen wiederum ins Unternehmen zurückzuführen. Die Diskutanten als Expertengruppe zusammenzufassen und gemeinsam anzusprechen, wenn es einmal um ein ähnliches Thema gehe. Hier helfe der Wiki-Gedanke.
In der Pharma- und Chemiebranche hat er für diesen Schritt eine konkrete Anwendungsmöglichkeit gesehen. So seien dort ganze Abteilungen damit beschäftigt zu erforschen, an welchen Ecken im Unternehmen an einem bestimmten Problem, einer Formel beispielsweise, gearbeitet werde. “Die Hersteller geben ein Vermögen für die Suche nach dieser Information aus, die Aufgabe ist nicht im geringsten trivial – dies über Blogs zu erledigen, setzt die Aktivisten selbst ins Zentrum.” Schnell und abteilungsübergreifend könne dann abgelesen werden, wer sich mit der Formel XY beschäftigt und warum. Die Mitarbeiter hätten dabei sofort neue Ansprechpartner in Reichweite, sagte Schütt. Doppler würden vermieden, die Forschung werde vernetzt und verlässt den Elfenbeinturm.
Ein Tempo, das schwindelig machen kann
Doch noch muss er viel Überzeugungsarbeit leisten. “Das Verständnis für den Nutzen fehlt oft”, sagt Schütt. “In Deutschland wird da gern der Betriebsrat vorgeschoben, wenn der Chef etwas nicht anfassen möchte”, sagt er. Dieses Phänomen sei aber ein Ausdruck für etwas anderes: mangelndes Verständnis und Angst vor der Technik in der Chefetage. Schütt warnt: “Wer das kreative Chaos, das aus den Blogs heraus entsteht, nicht zulassen will, kann im Endeffekt Innovation bremsen. Der Netzwerkgedanke wird wettbewerbsentscheidend, nicht nur fürs eigene Unternehmen, sondern ultimativ auch für das ganze Land.”
Ganz so absolut will Nicole Dufft von Berlecon Research diese Begeisterung nicht teilen, sie sieht auch die Stolpersteine. Zwar sagt sie den Social-Networking-Techniken eine glänzende Zukunft voraus. Vor allem Kommunikationstechniken und Multimediaanwendungen würden ihren Weg in die Firmen nehmen und seien auch durch Verbote nicht abzuwehren. “Die Idee, USB-Schnittstellen zu deaktivieren, IM-Installationen zu verbieten und ähnliches wirft die Firma zurück und macht sie bald nicht nur für die Mitarbeiter unattraktiv”, so die Analystin.
Sie trägt den Herstellern an, den Nutzen einer Technik wie Blog und Wiki klar zu machen und mit dem eigenen Beispiel voranzugehen, dann würden die Firmenchefs auch lieber Geld dafür anfassen. “Jedoch wird gern vergessen, dass das Business andere Anforderungen hat als der Privatnutzer”, erzählt sie. “Mitarbeiter nehmen ihre von zuhause bekannten Techniken, deren Nutzen für den Geschäftsalltag sie erkannt haben, mit ins Büro. Schon entsteht ein Wildwuchs an vielen kleinen Inseln, die unmöglich zu kontrollieren und noch schwerer zu verwalten sind. Dies lässt sich nicht durch Verbote vermeiden, sondern nur durch gezielte Einführung innovativer Technik.”
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