Wie reif ist SOA wirklich?
Andreas Oberweis von der Universität Karlsruhe betrachtet Service-orientierte Architekturen (SOA) als ein noch sehr unreifes Konzept. Dem stehen Firmen wie Oracle entgegen, die bereits fertige Produkt-Stacks haben wollen.
“Es ist größte Vorsicht geboten, wenn Definitionen zu einem technischen Trend schwammig sind”, sagte er auf der Jahreskonferenz der deutschen Oracle-User, DOAG, in Mannheim. “Die Frage, was SOA ist, wird uneinheitlich, ungenau und oft sogar mit wenig Sachkenntnis in den einschlägigen Medien beantwortet – das ist üblicherweise ein sicheres Zeichen für die Unreife eines technischen Konzepts oder Produktes.”
Anders ausgedrückt: “Bei SOA war wieder einmal das Marketing schneller als die Entwickler.” So würden Erwartungen bei den Kunden geschürt, die nicht einzuhalten seien. Oft habe er erlebt, dass die Trendblase bei solchen Konzepten genau zu dem Zeitpunkt geplatzt sei, als es Sinn gemacht hätte, die entsprechenden Produkte breit einzusetzen. Er sagte: “Es scheint Hype-Zyklen eigen zu sein, dass die Marktreife der Produkte meist mit einer gewissen Überdrüssigkeit am Markt zusammenfällt.”
Statt auf erprobte Architekturen zu warten, würden sich die mutigen Erstnutzer möglicherweise in einer ganz neuen Art von Spaghetti-Code verirren, meinte er. Er habe auch schon die etwas bissige Bemerkung gehört: “Spaghetti-Code wird bei SOA durch Services-Ravioli ersetzt.” Die Sorgen der Anwender beschrieb er dabei als sehr konkret. “Wenn Updates für die Services notwendig sind, wer kümmert sich darum? Wer haftet bei ausgelagerten Services? Wie sollen die Dienstleistungen rund um Services aussehen? Wer sorgt für den Überblick, damit die Services durchgängig bleiben und Updates einheitlich durchgeführt werden? – das sind nur einige der Fragen, bei denen einem vorsichtigen Anwender himmelangst werden kann”, gab Oberweis zu bedenken. Es fehle an Automatisierung, methodischer Unterstützung, einer semantischen Beschreibung, die Services international einsetzbar machen kann, einer soliden Validierung der Anforderungen und an Regeln für das Verhalten im Fehlerfall, so genanntes Exception Handling.
Allerdings hält er viel von dem Gedanken, bestimmte Funktionen wiederholbar zu machen. “In der Historie war es so, dass die Erfindung des Betriebssystems uns von der Hardware unabhängig machte, später haben Mittel wie Java für eine Abstraktion von den Betriebssystemen gesorgt und heute könnten Services die Aufgaben von Software (also ein Paket im traditionellen Sinne) übernehmen – dieser Gedanke muss uns Technikern einfach sympathisch sein”, so Oberweis, der als Professor am Forschungsinstitut AIFB arbeitet. Als Grund für diese “positive Voreingenommenheit” gegenüber dem neuen Trend SOA nannte er die zunehmende Anhängigkeit von großen Softwareanbietern, die mehr und mehr Firmen nicht zuletzt finanziell und technisch den Hals zuschnürt.
Der Professor rechnet allerdings trotz aller Vorteile, die er für SOA sieht, damit, dass sich dieses Bild auch in Zukunft fortsetzen könnte. “Services werden nach einer Übergangsphase vorwiegend von den großen Softwarehäusern kommen und nicht im freien Markt gehandelt werden – damit verschiebt sich nach einer Übergangsphase nur die Abhängigkeit”, so Oberweis.
Indirekt wurde dies bestätigt. Rolf Scheuch, Vorstandsmitglied der DOAG, sagte gegenüber silicon.de, er könne sich dies vorstellen. “Sobald das Geschäft mit den Services anläuft, werden die großen Firmen selbstverständlich versuchen müssen, dieses Feld zu besetzen”, sagte er. Und da Oracle durch die eigene Integration der Produkte von Peoplesoft, J.D.Edwards und Siebel einiges an Erfahrung sammeln werde, sei es nur logisch, dass daraus auch Services entwachsen könnten. Diese zu vermarkten könne der nächste logische Schritt sein. Hierfür böten sich auch eigene Standard-Geschmacksrichtungen auf Basis etablierter Standards an. Einstweilen gilt Oracle aber noch als die Firma, die sich auf Industrie-weite Standards bei SOA bezieht und sich somit von dem proprietäreren Ansatz, beispielsweise einer SAP, absetzen will.