O’Reilly ist Chef des gleichnamigen US-Software-Verlages und Begründer des Begriffes ‘Web 2.0’. Lanier gilt als Mitbegründer des Ausdrucks ‘Virtual Reality’. Er sorgte für Aufsehen, als er den Anhängern von Web-2.0-Tools in einem Essay “digitalen Maoismus” vorwarf.
O’Reilly konzentrierte sich in seinem Vortrag vor allem auf die Lichtseiten des Web 2.0. Demnach ist es kein Zufall, dass nur bestimmte Unternehmen das Platzen der Dotcom-Blase überlebten. Diese Firmen weisen Gemeinsamkeiten auf, so O’Reilly.
Sie basieren oft auf Open Source, nutzen das Web als Plattform und setzen auf Software as a Service. Zudem greifen sie auf die “kollektive Intelligenz” zurück. Neu sei auch, dass Daten eine große Rolle spielen – Daten, die von den Anwendern selbst erzeugt werden. “Die Daten sind das nächste Intel inside”, sagte O’Reilly.
Die Web-2.0-Software sei praktisch eine “bionische Software”. Viele Web-2.0-Tools stehen und fallen mit den Daten, die von Nutzern permanent generiert werden – so etwa die ‘Tag Clouds’ des Bookmarkdienstes del.icio.us.
“Steuert kein Anwender etwas bei, gibt es bei Web 2.0 auch keinen Service”, so O’Reilly. Die Nutzer werden damit “zu einem Teil der Applikation”. Ein Beispiel dafür sei etwa die News-Seite Digg. Software sei außerdem kein Produkt mehr, sondern ein Prozess. Das zeigten die “ewigen Betas” von Anwendungen wie der der Google Maps.
In Zukunft werden die Daten immer wichtiger, sagte O’Reilly. Es seien sogar “Kriege um Daten” vorstellbar – etwa um die Daten aus Geo-Informationssystemen. Ein Beispiel, wie man Daten für neue Ideen nutzen könne, sei der britische Versicherer Norwich Union. Dieser biete eine Auto-Police an, die auf der GPS-basierten Auswertung der Fahrtdaten des Kunden beruht.
Lanier hatte vor O’Reilly gesprochen und dann im Saal Platz genommen. Besonders O’Reillys Plädoyer für die kollektive Intelligenz dürfte ihm eher mißfallen haben. Denn deren Tummelplätze – besonders die Online-Enzyklopädie Wikipedia – üben laut Lanier eine “große Anziehungskraft auf narzistisch veranlagte Personen aus”.
Die Wikipedia bringe die Gefahr mit sich, dass das Wissen monopolisiert werden könnte, sagte Lanier. Suche man derzeit etwa einen Begriff in Google, stammten die zunächst angezeigten Artikel aus der Wikipedia. Andere Quellen würden erst auf hinteren Plätzen gelistet.
Die Online-Enzyklopädie sei jedoch ein anonymer Aggregator. Ein Text sollte dagegen Ausdruck einer Persönlichkeit sein – die auch die Verantwortung dafür übernehme. Wenn die Spur des Individuums verschwinde, gerate das Internet zu “einer Art Orakel”. Zudem werde mit Angeboten wie der Wikipedia dem Trugschluss Vorschub geleistet, das Kollektiv sei unfehlbar.
Die Frage sei freilich, wann der Einzelne klüger ist als das Team. Manchmal sei das Kollektiv schlauer – etwa dann, wenn eine Menge an Personen eine einzelne Zahl als Ergebnis hervorbringen muss. Diese Effektivität der kollektiven Intelligenz habe sich in Experimenten zu Börsenwerten und Wahlen gezeigt.
Angesichts der Gefahr eines digitalen Kollektivismus sei es jedoch notwendig, die Rolle des Individuums zu stärken, so Lanier.
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