Zwischen 50 und 80 Prozent des E-Mail-Verkehrs in der EU sollen inzwischen Spam-Nachrichten sein. Andere Zahlen gehen sogar davon aus, dass etwa 91 Prozent aller elektronischen Nachrichten in diese Kategorie fallen. Und diese ungewollten Mails sind nicht nur lästig, sondern kosten Unternehmen und Providern richtig Geld.
In Deutschland etwa beziffert die EU den finanziellen Schaden durch die Nachrichtenflut im Jahr 2005 auf 3,5 Milliarden Euro. 1,9 sind es im Vereinigten Königreich. 1,4 Milliarden Euro vernichtet die Flut in Frankreich. Das Marktforschungsinstitut Ferris Research addiert den volkswirtschaftlichen Schaden durch Spam 2005 weltweit auf rund 39 Milliarden Euro.
Sollte sich in den kommenden Monaten an der Situation nichts ändern, so Viviane Reding, Kommissarin für die Informationsgesellschaft und Medien, in einer Mitteilung, werde die EU neue gesetzliche Maßnahmen in Erwägung ziehen. Doch jetzt sei es erst einmal an der Zeit, die “wiederholt geäußerten Bedenken über Spam in konkrete Maßnahmen gegen Spam umzuwandeln”.
Hauptverursacher der elektronischen Flut sind mit 22 Prozent nach wie vor die USA. Daher wolle sich die EU auch mit den Verantwortlichen über geeignete Maßnahmen beraten.
Als Positivbeispiel führt Reding die Niederlande an. Mit nur fünf Mitarbeitern und einer Ausrüstung im Werte von etwa 570.000 Euro habe das niederländische Anti-Spam-Team ‘OPTA‘ das Aufkommen von unerwünschten Nachrichten um 85 Prozent verringert. Finnland senkte über eine Filtertechnologie die Häufigkeit von Spam auf 30 Prozent; zuvor lag der Anteil bei 85 Prozent.
“Ich will, dass auch andere Länder ähnliche Resultate durch eine effizientere Durchsetzung der Gesetze erreichen”, fordert Reding auf. Noch weitere EU-Nationen sollten Filter entwickeln. Zudem müssten die Mitgliedsstaaten klare “Verantwortlichkeiten” festlegen, wie solche Technologien auf dem Hintergrund der EU-Bestimmungen effektiv eingesetzt werden können. Dabei könnten auch Kooperationen mit anderen Ländern eine Rolle spielen.
Parallel zur Ankündigung der EU-Initiative hat die deutsche Verbraucherzentrale das Teilprojekt ‘Beschwerdestelle Spam’ geschlossen. “Mit der Beschwerdestelle haben wir in vielen Fällen nur falsche Hoffnungen geweckt”, so Patrick von Braunmühl, Leiter des Fachbereichs Wirtschaft beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, gegenüber dem Handelsblatt. Etwa 85 Prozent der 2,3 Millionen Mails, die an die Adresse beschwerdestelle@spam.vzbv.de gesendet wurden, stammten aus dem Ausland, so Braunmühl.
Und in solchen Fällen seien den deutschen Behörden die Hände gebunden. Die Resultate seien mit rund 50 Abmahnungen gegen deutsche Spammer enttäuschend. Das übergeordnete Projekt ‘Spamkampagne‘ hingegen werde weiter bestehen. Zudem könnten sich Verbraucher und Unternehmen nach wie vor an die Landesverbände der Verbraucherzentralen wenden.
Das Problem müsse auf höherer Ebene angegangen werden. Selbst wenn den Behörden ein Spammer ins Netz gehen sollte, sieht das Strafregister nicht einmal Bußgelder vor. In anderen Ländern können Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Braunmühl fordert deshalb neue und vor allem schärfere Regelungen.
Die könnte das neue Telemediengesetz bringen, über das derzeit der Bundestag berät. Den Versand nichtgewünschter Mails ahndet der Entwurf als Ordnungswidrigkeit. Auch das Falschparken gilt hierzulande als Ordnungswidrigkeit. Verbraucherschützern und Industrieverbänden geht daher dieser Ansatz nicht weit genug. Weit härtere Strafen müssten den Spammern drohen, um tatsächlich eine abschreckende Wirkung erzielen zu können.
Der eco-Verband der deutschen Internetwirtschaft etwa kritisiert das Gesetz als Augenwischerei. So werde suggeriert, dass nationale Initiativen geeignet seien, das Problem anzugehen, kritisierte Oliver Süme, Sprecher des eco-Verbandes, den in seinen Augen realitätsfernen Entwurf.
Offenbar aber klafft zwischen der EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation und der deutschen Umsetzung eine große Lücke. Seit 2002 verbietet diese Direktive EU-weit den Versand von Spam. Die Forderung der EU-Kommissarin Reding nach einer “effektiven Durchsetzung” der Bestimmungen, richtete sich also auch an die Adresse Deutschlands.
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