Der Unterschied zwischen Kontrolle und Zensur im Internet
Vor knapp einem Jahr erklärte der Vizechef der Internetbehörde, der Internetzugang in China sei vollkommen frei. Dass dem nicht so ist, gibt jetzt sogar KP-Chef Hu Jintao zu. Aber Zensur? Nein, wirklich nicht, nur ein bisschen Kontrolle.
Doch nur zum Schutz, liebe Chinesen, weil das Internet so böse ist, schlüpfrige Bilder zeigt, blutrünstige Spiele anbietet und politische Skandale wichtiger nimmt als marxisitische Lehren. Ach so, na dann.
Ach so? Nüchtern betrachtet sind die ersten beiden Argumente (schlüpfrig und blutrünstig) nicht zwangsläufig gefährlich – auch die Diskussion über Killerspiele im Internet ändert daran zunächst nichts. Bei der letzten Begründung allerdings dreht sich einem demokratisch denkenden Menschen der Magen um wie bei einem fiesen Magen-Darm-Virus. Und nur, weil Hu das so beiläufig erwähnte, heißt das nicht, dass es ihm und seiner Sippe nicht genau um diesen Punkt geht.
Seit jeher stören sich kommunistische Staaten an der Freiheit des Internet. Es “zu bereinigen”, wie Hu es jetzt laut Nachrichtenagentur Reuters nannte, ist das erklärte Ziel aller Staatschefs mit dieser Gesinnung. Bereinigen bedeutet für ihn Kontrolle über Inhalte und Personen. Daraus hat er keinen Hehl gemacht, aber Zensur ist das natürlich nicht.
Die Partei müsse “die Verwaltung und die Entwicklung unserer Internetkultur verstärken”, erklärte Hu. In einer Ansprache sagte er weiter, die Kontrolle über das Internet müsse intensiviert werden, selbst wenn dies die Aufgabe des wirtschaftlichen Potenzials des World Wide Web bedeute.
World Wide Web – davon kann in China ohnehin keine Rede sein. Die Millonen von chinesischen Usern können ohnehin nicht auf die weltweit gehosteten Seiten zugreifen, die werden blockiert, aber natürlich nicht zensiert. Wenn die KP doch hier wenigstens auch so konsequent wäre wie sonst und wenigstens zugeben würde, dass in diesem Fall Kontrolle Zensur bedeutet.
Vergangene Woche hatte Nicholas Negroponte, Vordenker der digitalen Revolution, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, dass “ein zensiertes Internet immer noch besser ist als gar keines”. Aber dauerhafte Kontrolle gebe es im Internet nicht. “Man kann darin Entwicklungen verzögern, aber nicht verhindern.” Hu kann das, fragt sich bloß, wie lange noch.
Warum eine solche Geschichte in der Auch-das-noch-Rubrik erscheint? Weil sie an Ungeheuerlichkeit und Wahnwitz kaum zu überteffen ist. Skurriler, ein Motto der ADN-Redaktion, geht es kaum.