Mittelständler erneuern mit ITIL den Helpdesk

Immer mehr Mittelständler setzen auf das Framework ITIL. Die Einführung beginnt dabei meist im Helpdesk.

“Nice-to-haves verbieten sich im Mittelstand aufgrund der knappen Ressourcen”, sagt auch Peter Säckel, Senior Consultant bei CA in Darmstadt. Vielmehr sollten die Prozesse angegangen werden, aus denen sich in der kürzesten Zeit der größte Nutzen ziehen lasse. Aus diesem Grund werde man im Mittelstand auch prüfen, welche Kenntnisse im Unternehmen bereits zu finden sind – um einen neuen ITIL-Prozess mit eigenen Ressourcen aufzusetzen.

“Auch wird man versuchen, die ITIL-Prozesse zu nutzen, die sich bereits andernorts im Mittelstand bewährt haben”, ergänzt Säckel. Vorhandene gute Vorgehensweisen müssten bei einer ITIL-Einführung nicht unbedingt über Bord geworfen werden. Vielmehr solle danach gesucht werden, wie das bewährte Vorgehen mit dem ITIL-Vorgehen integriert werden könne. Gerade in mittelständischen Unternehmen ließen sich schnelle Erfolge etwa durch einen optimierten Einsatz von Service Support erzielen. Säckel: “Klar definierte Prozesse bei der Bewältigung einer Vielzahl von ‘Incidents’ verhelfen zu einer besseren Abarbeitung mit mehr Durchsatz – oftmals mit dem Effekt, dabei auch die Qualität der Ergebnisse zu verbessern.”

Neue Generation des Helpdesk

Führen Unternehmen ITIL ein, ist die Organisation des Helpdesk für die große Mehrheit der Einstieg. “82 Prozent der Firmen fangen an diesem Punkt an”, sagt Matthias Goebel, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des unabhängigen IT Service Management Forum (itSMF).

Der Helpdesk nimmt die Anrufe der Anwender entgegen – er ist die Schnittstelle zwischen der IT-Abteilung und den Nutzern. Ist der Helpdesk schlecht organisiert, dann werden Problemfälle auf Post-its festgehalten. Anrufe werden nicht weiter verfolgt und bleiben unbeantwortet, es gibt keine definierten Prioritäten und Zuständigkeiten für die Bearbeitung der Anrufe. Wiederkehrende Ausfälle werden nicht erkannt und bestehende Service-Verträge nicht genutzt.

“Auch wenn der Helpdesk nach ITIL organisiert wird, betreiben viele KMUs nur ein reaktives Service-Management”, so Richard Pegden von BMC Software. Diesen Unternehmen bringe die Implementierung von Best Practices aus den ITIL-Modulen Incident-, Problem-, Change- und Configuration-Management den größten Nutzen.

ITIL kann jedoch auch dafür genutzt werden, einen “proaktiv agierenden” Helpdesk aufzubauen. “Dafür setzen wir die ITIL-Module Incident-, Change- und Problem Management ein”, sagt Frank Boerger, EDV-Service-Abteilungsleiter bei der TÜV Nord Gruppe. Bei der ITIL-Einführung habe man mit dem Incident Management und der Installation einer CMDB (Configuration Management Database) angefangen. Nach ausreichend Calls sei dann das Problem Management hinzugekommen. “Das Change Management wurde aufgrund der guten Erfahrungen mit den ersten Modulen hinzugenommen.”

Die Sachverständigen sind die Nutzer selbst

Boergers Abteilung bekam für ihre Help-Desk-Lösung ‘ServiceLine Next Generation’ den ‘Help Desk Award 2006’. Sie konnte die Juroren mit der Idee beeindrucken, den IT-Service-Prozess umzudrehen. “Die neue Generation des Helpdesk ist nicht mehr nur reaktiv, sondern auch proaktiv tätig”, sagt Boerger. “Wir drehen den Spieß um: Wir rufen den Nutzer an, bevor der Fehler auftritt.”
 
Die Nutzer sind in diesem Fall die Sachverständigen, die in den TÜV-Stationen und in Werkstätten Fahrzeuge begutachten. Hintergrund ist, dass fehlerhafte Notebooks oft einen erheblichen Produktionsausfall zur Folge haben. “In 24 Monaten hatten wir 321 Festplattenausfälle, davon 115 Desktops mit einem Serienfehler und 122 Ausfälle bei mobilen Sachverständigen.” Wenn man bei einem mobilen Sachverständigen von einem Arbeitsausfall von einem Tag und einem Umsatz von 1000 Euro pro Tag ausgehe, sei dies ein Umsatzverlust von über 120.000 Euro.

“Unser System ermöglicht es jedoch, Festplattenausfälle vorherzusehen.” Auf den Notebooks der TÜV-Nord-Sachverständigen ist die Software ‘Microsoft Operations Manager’ installiert. Diese meldet Fehlfunktionen mit kritischen Auswirkungen an ein zentrales Managementsystem. Das System ist mit der Helpdesk-Datenbank verbunden und generiert für solche zu erwartenden Störfälle einen Incident im Helpdesk-System. Dieser wird von der EDV-Abteilung bearbeitet: Bei einem zu erwartenden Geräteausfall wird ein neues Notebook an den Sachverständigen geschickt, das instabile Gerät kommt zur Wartung in die Zentrale.

Ein Helpdesk werde von den Anwendern häufig negativ wahrgenommen, so Boerger. Er werde meistens kontaktiert, wenn etwas nicht funktioniert. “Jetzt ist es eine große Bestätigung für unsere Helpdesk-Mitarbeiter, wenn Sie einen Nutzer anrufen und ihm sagen, dass sie ihn vor einem Computerausfall bewahren können.”