Siemens Schmiergeldspur führt zu russischen Telcos
Das halbseidene Spiel mit öffentlichen Ausschreibungen, das Siemens mehr und mehr nachgewiesen werden soll, hat der Münchner Konzern offenbar auch in Russland gespielt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der russische Telekommunikationsminister Leonid Reiman soll ebenfalls in Schmiergeldzahlungen verwickelt sein. Es liegt, einem Bericht des Wall Street Journal zufolge, mindestens eine Zeugenaussage vor, die die Strafverfolgungsbehörden in Gang setzte. Demnach sei das Geld über zwei Firmen geflossen, an denen der Minister Anteile haben soll.
Wie es heißt, sind die Strafverfolger in München derzeit mit der Untersuchung von Transaktionen beschäftigt. Diese betreffen ebenso den Telekommunikationsbereich. In diesem Bereich erhärten sich auch mehr und mehr die Untersuchungen in die internationalen, mittlerweile 545 Millionen Dollar schweren Schmiergeldskandale, die bis zu sieben Jahre zurückreichen sollen. Ob die Verbindung nach Russland dort hineingehört, muss erst noch untersucht werden. Es geht aber bei der Siemens-Reiman-Affäre auch um Politik: Der Minister gilt als enger Freund Vladimir Putins, der sich auf dem politischen Parkett in letzter Zeit häufiger mit dem Westen angelegt hatte, sei es nun mit der EU oder den USA.
Leonid Reiman wird national und international Korruption vorgeworfen. Siemens soll die zugehörige Bestechung für millionenschwere Aufträge ausbezahlt haben, möglicherweise geht von München sogar die Initiative aus. Reiman hatte den TK-Sektor Russlands seit 1999 reguliert. Die Zahlungen sollen an seine Behörde und sein Umfeld gegangen sein, heißt es dem Bericht zufolge aus der Münchner Justiz. Neben der Korruption wird bei Siemens nun auch Steuerhinterziehung untersucht, da die Zahlungen natürlich an der Steuer vorbei außer Landes gegangen waren.
Das Szenario sieht demnach so aus, dass zwei TK-Firmen, die als wichtige Siemens-Kunden in Russland gelten, in den Schmiergeldzahlungs-Akten auftauchen. Hierin soll auch die Commerzbank verstrickt sein, die die Zahlungen augenscheinlich ermöglicht haben soll. Dies dadurch, dass sie mithilfe von Scheinkonten und Scheinbesitzansprüchen dafür gesorgt habe, dass die Miteigentümerschaft des Chefregulierers Russlands an den großen Marktspielern nicht auffiel.
Aus der Münchner Siemens-Zentrale hieß es zu den Vorwürfen bisher nur, man kenne Reiman lediglich in seiner Rolle als TK-Minister. Und man sei sich der nach Russland führenden Ermittlungen in die eigenen Geschäftsbücher nicht bewusst. Allerdings gilt dies als einer der ganz zentralen Märkte für die gesamte Siemens AG, denn dort liegt nicht nur TK-Geschäft vor: Projekte gibt es mit Firmen wie Kirishi (Siemens erstellt hier ein Raffinerietechnik-Projekt), Cargill (Strom- und Robotikausrüstung für die Lebensmittelindustrie), mit Rosneft (Auf- und Ausbau einer Rohstoffplattform), Gazprom (Gaspumpanlagen), Svyazinvest (Verkauf von mehr als einer Million Switch Ports und andere Aufträge über Beteiligungen des Konzerns in verschiedene Branchen) oder Russian Railways (Zugtechnik im Wert von knapp einer Milliarde Dollar über 30 Jahre hinweg). Und Siemens hatte die landesweiten Festnetz-Telefonleitungen auf Vordermann gebracht.
Die Ermittler interessiert jedoch erst einmal nur die TK-Branche und hier besonders, inwiefern der Mischkonzern Ipoc und seine umstrittenen Anteile an der drittgrößten russischen Mobilfunkfirma MegaFon eine Verbindung nach München aufweisen. Der Löwenanteil der russischen Geschäfte für Siemens mag schließlich bei anderen Projekten liegen – doch der Verkauf von Ausrüstung an MegaFon schlägt diese Geschäfte in Fragen des Umsatzwachstums bei weitem. Allein in den Jahren 2002 bis 2005 sollen Werte für 200 Millionen Dollar verkauft worden sein. So steht es in den Büchern.
Seitens des Zeugen ist von sprunghaftem Wachstum die Rede. MegaFon soll von Reimans Geschäftspartnern erst 2001 gegründet worden sein. Die Firma erhielt kurz darauf vom Ministerium die lukrative Lizenz zugesprochen, die den globalen UMTS-Aufbau ermöglichte. Sie dürfte aber nicht die einzige Firma sein, wegen der ein Russe in München die Hand aufgehalten haben soll: Der Bericht erwähnt mittlerweile drei Personen, die unterschiedliche Schmiergeld- und Bestechungszahlungen bezeugen wollen. Als eine der Schlüsselfiguren der russischen Siemens-Skandale gilt Ex-Manager Michael Kutschenreuther neben dem Ex-TK-Chef Thomas Ganswindt. Jener sprach bei Unterzeichnung eines 150 Millionen Dollar schweren Switching-Vertrages davon, dass Siemens “der führende Ausrüster für Switching-Systeme in der gesamten Russischen Föderation” sei. Warum, das untersuchen jetzt die Münchner Behörden.