ERP kommt in Deutschland langsam, aber gewaltig
Der Markt für Enterprise Ressource Planning (ERP) in Deutschland steht unter einem guten Stern. Auch, wenn Migrationshäufigkeit sinkt und das Budget immer öfter gesprengt werden muss. Das ergab eine Studie unter 1500 Firmen.
Wie das Marktforschungsinstitut Förster & Thelen in Bochum im Auftrag der Konradin Mediengruppe herausfand, wollen die Firmen mit dem Ausbau ihrer ERP-Systeme vor allem mehr Kundenzufriedenheit erreichen. Höhere Produktivität und die Erleichterungen, die neue Techniken bei den Geschäftsprozessen mit sich bringen können, stehen demnach auch immer weiter oben auf der Tagesordnung der ERP-Nutzer.
Die Erneuerung der Systeme werde allerdings gern hinausgezögert, ergab die intensive Befragung von Verantwortlichen aus 1500 Betrieben aus Prozessindustrie, Metall- und Maschinenbau, Fahrzeugbau und Elektronik. Die Einsatzgebiete und Erwartungen seien aber sehr unterschiedlich. Dies wurde vor allem in Bezug auf die Betriebsgrößen deutlich, die bei der Auswertung ebenfalls unterschieden wurden.
Mehr als drei Viertel der Befragten wollen der Studie zufolge mit der Anschaffung eines neuen ERP-Systems ihre Bereiche für Materialwirtschaft und Beschaffung verbessern. An zweiter Stelle folgte der Vertrieb, den 70,1 Prozent der Befragten mit ERP effektiver gestalten wollen. 67,4 Prozent der Entscheider erwarteten sich mehr Planungssicherheit für das Gesamtunternehmen – also auch eine klassische ERP-Tugend.
Erweiterung und Wechsel des eingesetzten ERP-Systems kämen vor allem dort auf die Tagesordnung, hieß es, wo die Systeme technisch veraltet seien: 54,1 Prozent der Befragten gaben demnach dieses Thema an. Bei diesen Firmen fehle auch die Möglichkeit, neue Features an das alte System einfach anzubauen – der Wechseldruck sei also besonders hoch. Die Autoren schlossen aus der Tatsache, dass sich dieser abgefragte Wert im Vergleichszeitraum um beachtliche 5 Prozent erhöht habe, dass die Anwender einen Wechsel immer länger hinauszögerten. Fast verdreifacht habe sich demnach im Vergleich zur Befragung von 2005 die Zahl der Firmen, deren Lizenz- und Wartungsverträge ausliefen.
Sogar unter den Großunternehmen, die gewöhnlich in längeren Zeiträumen planen können, habe sich dieser Anteil signifikant erhöht, hieß es. Das lasse den Schluss zu, dass die Anwender auf der einen Seite länger mit einer Entscheidung für ein neues System warteten. Die Hersteller auf der anderen Seite würden vermehrt auslaufende Verträge als Druckmittel einsetzen, um Neuinvestitionen anzuschieben. Ob dies allerdings nicht auch zu einem Anbieterwechsel führen könnte, wurde nicht abgefragt.
Ein teurer Spaß ist es demnach allemal, ERP zu nutzen. Die Studie ergab, dass die Anwender bei der Einführung immer öfter mehr zahlten, als sie ursprünglich vorgehabt hätten. Vier von zehn Einführungen, so hieß es, hätten angegeben, dass sie die geplante Zeit und damit auch die Kosten überschritten hätten. In Einzelfällen dauere die Einführung bis zu eineinhalb Jahren. Dennoch sei die Einführungsdauer im Durchschnitt leicht gesunken, was für die Beratungs- und Implementierungsfähigkeiten der Hersteller und Dienstleister spreche. Bei 40 Prozent der Befragten seien aber die Implementierung und das Customizing teurer gewesen, als veranschlagt.
Die Bereitschaft, neuen Trends zu folgen, ist in diesem Licht geradezu verständlich niedrig. Demnach seien neue Themen wie serviceorientierte Architekturen (SOA) und Web Services zwar im untersuchten Zeitraum seit der letzten Studie etwas beliebter geworden, jedoch nicht sehr: Immer noch zwei Drittel der Betriebe antwortete, dass diese Themen für sie nicht in Frage kämen. Doch an eine Auslagerung von Teilen der Prozesskette dächten heute einige der Befragten, hieß es bei der Vorstellung der Studie auf der CeBIT.
Jeder zweite Fahrzeugbauer – oft ist das ein Großunternehmen – lagere bereits einige Prozess-Handgriffe an Dienstleister aus. Im Mittelstand ist die Bereitschaft hierzu allerdings im Vergleich mit dem Vorjahresergebnis für das Jahr 2005 um nur 0,2 Prozentpunkte gewachsen. Im Durchschnitt werden der ERP-Studie zufolge in einem Betrieb 1,7 ERP-Systeme eingesetzt. Und sie sind durchschnittlich stolze 6,1 Jahre alt. International sei demnach eine Migrationszeit von 4 bis 5 Jahren üblich, hieß es.