Oracle-Klage bringt SAP nicht aus der Ruhe
SAP soll sich illegal Zugang zum Allerheiligsten von Oracle verschafft haben – dem Kunden-Support-Center. Für die Börse ist die Klage kein Grund zur Panik.
Deshalb verklagte der kalifornische Softwarekonzern Oracle jetzt seinen Walldorfer Konkurrenten. Oracle wirft SAP vor, Hacking-Attacken durchgeführt und geistiges Eigentum gestohlen zu haben.
Die Anklage ist inzwischen bei einem US-Gericht eingereicht. Die Vorwürfe wiegen schwer: SAP soll sich in das Kunden-Support-Center von Oracle gehackt und dort tausende Software-Produkte illegal heruntergeladen haben. Das deutsche Unternehmen will sich erst zu den Vorwürfen äußern, wenn die Klageschrift ausgewertet wurde. Dazu haben die Walldorfer jetzt Gelegenheit: Oracle hat die 44-seitige Klageschrift ins Netz gestellt.
Im Klagetext heißt es mitunter: “SAP ist verwickelt in einen systematischen und illegalen Zugang zu und einer Entwendung von Oracles computerisiertem Kunden-Support-System.” Weiter heißt es, SAP habe Tausende von proprietären und urheberrechtlich geschützten Softwareprodukten sowie andere vertrauliche Materialien gestohlen, die Oracle entwickelt habe, um seine eigenen Support-Kunden damit zu bedienen. SAP habe sich wiederholt unerlaubten Zugang verschafft, “in vielen Fällen durch Fälschen von Kunden-Log-in-Daten, die zum Zugang zu Oracles proprietären und passwortgeschützten Support-Websites” berechtigen sollten.
Oracle will Ende November eine ungewöhnliche Download-Aktivität in seinem Support-Center für die ehemaligen Peoplesoft- and J.D.-Edwards-Kunden beobachtet haben. Insgesamt sollen mehr als 10.000 illegale Downloads stattgefunden haben – durchgeführt wurden sie von Kunden, deren Support-Verträge bereits ausgelaufen waren oder kurz vor dem Auslaufen standen.
Laut der Klageschrift führt die IP in einigen Fällen zu einer SAP-Niederlassung in Texas. Die SAP-Mitarbeiter hätten Login-Daten von Peoplesoft- und J.D.-Edwards-Kunden verwendet, jedoch falsche Mail-Adressen und Telefonnummern hinterlassen, so der Vorwurf. Konkret sollen die Angestellten des Konkurrenten an vier Tagen jeweils über 1800 Produkte herunter geladen haben. Normale Kunden würden sich jedoch nur 20 Programme im Monat ziehen.
An der Frankfurter Börse ist der Aktienkurs von SAP leicht zurückgegangen, jedoch ließen sich Finanzexperten und Analysten nicht allzu sehr irritieren. Viele scheinen der Überzeugung zu sein, Oracles Klage sei taktisch motiviert um den Leumund des Konkurrenten in Frage zu stellen. Das SAP-Papier darf sich nach wie vor mit einer Kaufempfehlung schmücken.
Wie auch immer die Vorwürfe begründet sind und wie die Auseinandersetzung ausgehen mag, der Fall dürfte für die gesamte Industrie interessant sein, denn er ist einzigartig: “Die meisten juristischen Auseinandersetzungen rund um Software drehen sich um produktspezifisches geistiges Eigentum”, erklärt David Mitchell, Software Practice Leader des Marktforschungsunternehmens Ovum. “Dieser Fall liegt anders, da er geistiges Eigentum rund um Support- und Service-Angebote zum Gegenstand hat.”
Mitchell findet ihn in zweierlei Hinsicht interessant: Einmal, weil Support-Dienste zu den profitabelsten Bereichen des Softwaregeschäfts gehören; zum anderen strengen sich die Firmen aber branchenweit derzeit an, fachkräftebasierten Support zu “produktisieren”, das heißt, sie versuchen die Dienstleistungen wiederholbarer und hochwertiger zu machen, um sie den Kunden zu einem günstigeren Preis anbieten zu können. Dies sei allerdings ein Bereich, der schwieriger zu schützen ist.
An die Adresse von Oracle gerichtet empfiehlt Mitchell, der Konzern solle versuchen, eine Trennung zwischen der Auseinandersetzung mit SAP und den SAP-Kunden zu formulieren. Den Kunden sollte versichert werden, dass sie nicht belangt würden, sollte sich herausstellen, dass geistiges Eigentum von Oracle unrechtmäßigerweise und wahrscheinlich unwissentlich in ihrer Softwarelandschaft gelandet ist – vorausgesetzt, die Vorwürfe sollten sich erhärten.
Speziell die Kunden, die über Migrationsprogramme wie SAP SafePassage oder als Kunden der SAP-Tochter TomorrowNow Support erhalten hätten, müssten jetzt verunsichert sein. Diese Situation solle Oracle so schnell, unmissverständlich und offen wie möglich für die Kunden klären. Oracle könne kein Interesse daran haben, die SAP-Kunden statt SAP anzuklagen.
SAP rät der Analyst, sich an Mark Hurd, dem CEO von Hewlett-Packard, ein Beispiel zu nehmen. Sollten sich die Klagepunkte als rechtmäßig erweisen, so könne SAP an Respekt gewinnen, wenn es mit ähnlicher “Härte und zugleich Würde” gegen die Schuldigen vorginge, wie es Hurd seinerzeit in seiner Vorstands-Affäre tat. “Doch zuerst muss Oracle den Kunden die Unsicherheit nehmen”, sagte Mitchell. “Unsere ersten Analysen haben nicht ergeben, dass die Kunden Grund haben sollten, sich zu sorgen.” Allerdings sei das noch nicht in Stein gemeißelt.