Der IT-Spezialist – eine aussterbende Spezies

Eine Managementberatung hat ein Modellszenario durchgerechnet, wie sich die Arbeitswelt der deutschen IT-Abteilungen in den kommenden Jahren ändern wird. Die Zahlen rütteln auf.

Untersucht wurden die 500 größten Unternehmen in der Bundesrepublik, die derzeit 190.000 Mitarbeiter in ihren IT-Abteilungen beschäftigen. Mehr als 60 Prozent dieser Jobs, so die Modellrechnung, werden die Unternehmen unterm Strich in den kommenden fünf Jahren abbauen. “Dabei werden 25.000 neue IT-Arbeitsplätze entstehen, jedoch nicht für klassische IT-Spezialisten, sondern für IT-Fachkräfte mit Wirtschafts- und besonderem Branchen-Know-how”, so Eul.

Der Berater fasst den Ausgangspunkt der Modellrechnung – ein Ergebnis der Interviews – in einer Zahl zusammen: “In fünf Jahren entfallen durchschnittlich 80 Prozent der IT-Service-Ausgaben deutscher Unternehmen auf externe Dienstleister. Parallel wollen die Unternehmen eine auf ihr Kerngeschäft fokussierte IT aufbauen.” IT-Betrieb, -Systempflege und -Entwicklung gehören damit nicht mehr zum Kerngeschäft.

Ausgehend von dieser Zahl fingen die Berater an zu rechnen. “Im Jahr 2007 entfallen von den 190.000 IT-Stellen 10.000 auf den Bereich IT-Management, 180.000 auf Betrieb, Systempflege und Entwicklung. Durch Outsourcing sinkt die Zahl der Stellen bis 2011 in diesem Bereich auf 35.000, die Zahl der Stellen im IT-Management wächst zeitgleich auf 35.000.” Mit anderen Worten: 120.000 Stellen fallen bei den deutschen Top-500-Unternehmen weg, 70.000 Stellen werden es in fünf Jahren noch sein.

A.T. Kearney erwartet, dass das Infrastruktur- und Applikationsmanagement weitgehend ausgelagert werden. Wer weiterhin beispielsweise im Desktop-Support, in der Applikationsentwicklung oder dem Netzwerkmanagement sein Brot verdienen möchte, wird eine deutlich größere Anzahl an Stellen bei IT-Dienstleistern finden als bei Anwenderunternehmen.

Gerade die Telekommunikationsindustrie hat in der jüngeren Vergangenheit demonstriert, dass diese Prognosen keine pure Theorie sind: Ende 2004 hat E-Plus als erstes Mobilfunkunternehmen sein Infrastruktur- und Applikationsmanagement an Atos Origin ausgelagert, vergangenen Herbst gliederte Vodafone Anwendungsentwicklung und Wartungsdienste an IBM und EDS aus. “So etwas wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen, da die TK-Unternehmen ihre IT damals als Kerngeschäft betrachtet hatten”, gibt Eul zu bedenken.

Die Modellrechnung der Unternehmensberatung konkretisiert noch genauer, was mit den heutigen IT-Jobs geschieht: Nur 20 Prozent bleiben demnach unverändert in den IT-Abteilungen erhalten, 10 Prozent werden in die IT-Management-Organisation verlagert. 30 Prozent tauchen wieder bei nationalen IT-Service-Providern auf, während weitere 30 Prozent an Niedriglohnländer verloren gehen und mindestens 10 Prozent durch Effizienzsteigerungen ganz entfallen. “Vorstellbar sind aber auch Szenarien, in denen bis zu 40 Prozent der Jobs in Billiglohnländer verlagert werden”, so Marcus Eul.

Das Modellszenario sagt nicht nur einen Stellenabbau voraus, sondern auch das Entstehen von 25.000 neuen Jobs. Sie dienen als Schnittstelle zwischen Fachabteilungen und IT-Dienstleister. “Diese Stellen werden aber nicht primär durch klassische IT-Fachkräfte besetzt, sondern durch Mitarbeiter, die aus dem Kerngeschäft des Unternehmens kommen oder durch Neueinstellungen”, sagt Eul. Für solche Anforderungsprofile werde es nicht genügend Nachwuchs geben, da beispielsweise nicht so viele Wirtschaftsinformatiker in Deutschland ausgebildet werden. Sie wären für diese Positionen prädestiniert. “Selbst die Weiterqualifizierung von Mitarbeitern wird angesichts des großen Personalbedarfs in diesem Bereich das Defizit nur mildern können”, so der Berater, “zumal diese Maßnahmen auch noch teuer und zeitaufwändig sind.”