Inder berichten aus Pasadenas Stadtratssitzungen
Eine letzte vermeintliche Bastion gegen den Outsourcing-Trend schien lange Zeit der Lokaljournalismus zu sein.
Auch wenn die Jobs in Lokalredaktionen meistens weder sicher noch gut bezahlt sind, eines war lange Zeit klar: Dieser Job kann nicht wie die Herstellung oder Softwareprogrammierung nach Indien oder Usbekistan ausgelagert werden. Doch der Fortschritt ist offenbar auch hier nicht aufzuhalten.
Das lokale Nachrichtenportal Pasadena Now, ansässig im sonnigen Kalifornien, hat jetzt mit einer Stellenanzeige aufhorchen lassen:
“Wir suchen einen Zeitungsjournalisten in Indien, der über die Stadtverwaltung und die politische Szene in Pasadena, Kalifornien, USA, berichten soll.”
Der Herausgeber des zwei Jahre alten Mediums, James Macpherson, gibt selbst zu, dass es etwas verwunderlich klingen mag, einen Inder anzuheuern, der vom andern Ende der Welt aus über das politische Leben in der amerikanischen Stadt berichten soll.
Jedoch werden die Sitzungen des Pasadena City Councils inzwischen über das Internet übertragen. Der Niedriglohn-Journalist würde sich also über das Netz in die Sitzungen einklinken, anschließend darüber berichten – und auch noch Geld für den Arbeitgeber sparen.
Macpherson glaubt, nur so qualitativ hochwertigen Journalismus für wenig Geld bieten zu können. Schließlich spiele es ja keine Rolle, ob man in Pasadena oder in Mumbai am Schreibtisch sitzt, in Zeiten von Telefon und E-Mail.
Inzwischen konnte Macpherson laut eigenen Angaben zwei indische Journalisten als Freelancer gewinnen. Einer sei sogar ein Absolvent der Journalistenschule der Universität Berkeley.
Die Reaktionen sind derzeit noch gespalten. In der Stadtverwaltung übt man sich noch im Zweckoptimismus. Solange die Artikel gut geschrieben sind, hätte man damit kein Problem, heißt es da.
Experten, die es wissen sollten, halten es für den falschen Weg. Wieder andere glauben, dass Macpherson mehr Zeit für das Redigieren investieren werde, als er gebraucht hätte, um die Artikel selbst zu schreiben. Macpherson hingegen erklärte, er habe jede Woche etwa 45.000 Leser und habe das Projekt bislang zusammen mit seiner Frau von zuhause aus betreut. Warum der Mann sich keinen Praktikanten ins Haus holt, ist unklar.