Infor Business Solutions hat sich vor allem auf Software für Enterprise Ressource Planning spezialisiert. Die Firma ist mit 2,3 Milliarden Dollar Jahresumsatz, 9200 Mitarbeitern weltweit und 27.000 Kunden die zehntgrößte Softwarefirma der Welt, bei Geschäftsanwendungen die Nr.3 hinter SAP und Oracle. Der Umsatz von Infor kommt zu 42 Prozent aus Europa, hier zu gleichen Teilen aus Großbritannien und Deutschland, weitere 51 Prozent aus USA, der Rest aus der Region Asia-Pacific.
silicon.de: Wenn Sie Ihre Firma im Markt einordnen, fallen immer schnell die Namen SAP und Oracle als Konkurrenzkonzerne. Infor ist aber als ERP-Spezialist bekannt geworden. Hat sich das geändert, gilt die Konkurrenz bald für alle ihre Produktbereiche?
Jim Schaper: Nein, das betrifft nach wie vor nur die Anwendungen. SAP und Oracle haben natürlich auch Datenbanksysteme, die rechne ich nicht mit ein. Es gibt bei der Nennung von Rivalen aber sehr distinktive Kategorien: Einmal SAP, Oracle und Infor und dann kommen mit viel Abstand andere Firmen. Das bestätigt sich bei Angeboten für Kunden – da konkurrieren wir vor allem mit SAP, etwas weniger mit Oracle. Und selbstverständlich sind die kleineren Firmen in spezifischen vertikalen Segmenten und in nationalen Märkten ernstzunehmende Gegner. Aber die hauptsächlichen Konkurrenten bleiben auch in fünf Jahren noch SAP und Oracle.
Wir sind jedoch viel spezialisierter. Unsere Märkte heißen vor allem Fertigung und Prozessindustrie, Logistik/Handel, Automotive und generische Service-Unternehmen. Dort vor allem verdienen wir unser Geld mit drei großen Produktlinien: Eine, die tatsächlich die Hälfte unserer Umsätze einbringt, heißt ERP. Die anderen sind unsere Standalone Financial Application, und dann alle unsere Extended Applications wie Business Analytics, Supply Chain Management & Logistics, CRM und durch Zukauf auch Human Capital Management, worauf wir sehr stolz sind. Diese verkaufen wir als integrierte Komponenten in ERP, aber auch als Integrationen in Partneranwendungen. Die Bandbreite ist also etwas weiter, der Schwerpunkt liegt aber bei ERP.
silicon.de: Nun hat ja ERP mit Prozessen zu tun, Prozesse werden heute aber mit serviceorientierten Architekturen (SOA) angepackt. Ist SOA ein Thema für Sie?
Schaper: Es gibt viele Trends, die heute da sind und morgen verschwunden – SOA gehört nicht dazu, SOA wird sich halten. Übrigens ist SOA auch ein Unterscheidungskriterium für uns gegen SAP und Oracle: Die beiden Konzerne haben dabei einen wirklich proprietären Ansatz, sie zwingen die Kunden ihre Infrastrukturschichten zu kaufen, zu implementieren, zu pflegen. Doch Kunden wollen offene Strukturen, sie wollen nicht von einem Anbieter abhängig sein, nicht einmal von Infor. Deshalb fertigen wir unsere SOA aus einzelnen eigenen Komponenten und aus Open Source. Damit meine ich offene Architekturkomponenten von Drittanbietern, die wir in Lizenz haben.
silicon.de: Was kostet das?
Schaper: Es ist als Teil von Infor-Produkten integriert und wird für Infor-Kunden gratis mitgeliefert, wenn sie es wünschen. Sie können es selbst weiter pflegen oder von uns Hilfe bekommen. Es gibt außerdem eine nominelle – nur nominelle – Lizenzgebühr für Nicht-Kunden, die diese Produkte beziehen wollen. Wir arbeiten auch hier komponentenbasiert. Das erlaubt uns ja erst, einen Mehrwert zu integrieren oder nach Kundenwunsch wegzulassen oder extra zu verkaufen. Wir sind ein echter Anwendungsanbieter, kein Infrastrukturanbieter wie die meisten anderen großen Mitspieler und im Speziellen SAP und Oracle. Unser Ziel war, ist und bleibt es, der Anbieter mit dem niedrigsten ‘Total Cost of Ownership’ (TCO) zu sein. Das schaffen wir heute schon. Weil wir unseren Kunden die Möglichkeit geben, Unabhängigkeit und Selbständigkeit gleich mit zu kaufen. Unser SOA ist deshalb auch gratis, es ist schließlich signifikant für die Kunden.
silicon.de: Andere Anbieter gehen genau den anderen Weg, entwickeln sich mehr und mehr von Spezialisten zu breit aufgestellten Anbietern mit großem Portfolio und Plattform darunter – dem also, was Sie Infrastruktur-Anbieter nennen würden. Warum halten Sie das für falsch?
Schaper: Man muss realistisch sein. Viele große Anbieter werden in der Highend-Klasse der Kunden stark in die Mangel genommen und müssen daher auf die Infrastruktur ausweichen, um auch weiterhin Highend-Margen zu erhalten. Der ERP-Markt in der oberen Liga ist gesättigt, das muss man klar sagen. Wir werden wohl nicht erleben, dass General Motors ihre Backoffice Financial Services einfach so herausreißen und ersetzen. Daher müssen SAP und Oracle auf Nebengebiete wie die Infrastruktur ausweichen.
Wir haben unsere Schwerpunkte woanders und sind selbst dort kein Gemischtwarenladen, der alles bietet. Wir versorgen unsere Kunden zwar mit einem Menü an Applikationen, aber dabei wollen wir keinesfalls alles für alle sein. Wir wollen mit offenen Angeboten in unseren Kerngebieten wachsen – weil sich die Unabhängigkeit der Kunden auszahlt – und ansonsten verbessern wir unsere Produkte ständig in Sachen TCO und Funktionen. Die Zeiten haben sich gewandelt: Früher fragten Kunden nach einem einzelnen Lieferanten, heute nicht mehr. Doch dafür sind wir mit unserer Partnerfamilie bestens aufgestellt.
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