Willkommen, GPLv3!
Mit der General Public License Version 3 (GPLv3) ist sozusagen der Heilige Gral der Open Source Software erneuert worden. Trotz, oder gerade wegen des neuen Glanzes, nimmt die Industrie die neue Lizenz bislang lediglich wohlwollend zur Kenntnis.
“Wir wollen der Free Software Foundation, dem Software Freedom Law Center sowie allen Unternehmen und Personen gratulieren, die so emsig an der Version 3 der GNU General Public License gearbeitet haben”, heißt es etwa vom Linux-Platzhirschen Red Hat. Red Hat werde auch weiterhin Projekte unterstützen, die von der GPLv2 oder anderen Lizenzen auf die GPLv3 migrieren. “Und wir werden auch gerne GPLv3-lizensierte Projekte in unsere künftigen Distributionen integrieren.” Davon, dass Red Hat selbst auf die neue Lizenz umschwenken werde, ist nicht die Rede.
Auf der Burton Group Catalyst Conference erklärte der CEO von Sun Microsystems, Jonathan Schwartz, dass er die neue Lizenz nicht kommentieren werde. Im nächsten Atemzug jedoch ließ Schwartz verlautbaren: “Ich will für alles, was wir tun, eine einheitliche Lizenz.” Schwartz erklärte nicht, welche Lizenz damit gemeint sein könnte. Er ließ jedoch wenig Zweifel offen, dass es nicht die Mozilla-Lizenz sein werde, die lediglich für die USA gelte und daher für ein internationales Unternehmen ungeeignet. Er hoffe jedoch, dass sich die Zahl der Menschen mit einer Meinung über eine Open-Source-Lizenz mittelfristig an die Zahl derer angleicht, die eine derartige Lizenz gelesen hätten.
Also kommt auch von Sun, das derzeit viel Zeit und Energie dafür aufwendet, sich als Open-Source-freundliches Unternehmen zu positionieren, noch kein klares “Ja” zur GPLv3. Dieser Schritt ist jedoch auch nicht auszuschließen. Schließlich kokettieren Schwartz und seine Kollegen bei Sun seit geraumer Zeit öffentlich mit diesem Gedanken.
Experten schätzen, dass derzeit rund 20 Programme unter der GPLv3 lizenziert sind. Auf der anderen Seite jedoch existieren jedoch mehrere zehntausend Open-Source-Programme unter verschiedenen quelloffenen Lizenzen. Die gewichtigsten v3-Programme sind derzeit das ‘Common Internet File System’ der Samba Gruppe, ein Windows-kompatibler File- und Printer-Server sowie die Entwickler-Tools der gcc-Familie der Free Software Foundation. Andere große Namen fehlen bislang auf der Liste der GPLv3-lizenzierten Programme.
Nachdem sich die Kernel-Entwickler und der Linux-Vater Linus Torvalds ebenfalls gegen die GPLv3 aussprachen, wird es in absehbarer Zeit auch kein Linux unter der neuen Lizenz geben. Die Kernel-Entwickler erklärten einhellig, dass die GPLv3 keine nennenswerten Verbesserungen mitbringe, die Kernel-Entwickler jedoch mindestens 6 Monate damit beschäftigt wären, den gesamten Code des Betriebssystemkerns umzustellen. Damit fällt die wohl wichtigste Open Source Software überhaupt bereits heraus. Und damit haben auch andere Software-Hersteller oder -Projekte kaum eine nennenswerte Motivation, das Lizenz-Upgrade zu vollziehen.
Dennoch bietet die neue Lizenz einige interessante Aspekte. Ihre Schöpfer wollten sie besser an die veränderten Gegebenheiten in der Industrie anpassen. 16 Jahre sind ins Land gegangen, seit die FSF Version 2 der GPL zu Papier brachte. Zwar glaubt mit Torvalds einer der wichtigsten Anwender dieser Lizenz, dass die GPLv2 auch nach dieser langen Zeit aufgrund ihrer einfachen Bauweise noch immer ihre volle Gültigkeit bewahrt habe, doch haben sich Industrie sowie die Rolle von Open Source Software seitdem massiv verändert. Diese Evolution soll nun durch die GPLv3 abgedeckt werden. Vor allem bei Fragen wie Patenten oder geistigem Eigentum wollen die FSF und ihre Mitstreiter mehr Schutz für Open-Source-Projekte und Entwickler wie auch für die Anwender.
Daher glaubt auch der Chef der FSF, Richard Stallman, dass Unternehmen “närrisch” sein müssen, wenn sie sich nach wie vor auf proprietäre Produkte einlassen. Diese würden nicht nur die Innovationsfähigkeit eindämmen, sondern auch die Sicherheit des IT-Betriebes beeinträchtigen. Schließlich hätten auch Unternehmen ein Recht auf freie Software.
Dennoch schränkte Stallman bei der Vorstellung der neuen Lizenz ein, das Projekt GPLv3 sei weniger ein Beitrag zu einer technologischen Debatte, sondern vielmehr eine Kampangne für Menschenrechte. Ein lobenswertes Ziel, doch Experten rechnen damit, dass die GPLv2 in den nächsten Jahren die wichtigste Open-Source-Lizenz bleiben wird – ungeachtet dessen, in welche Richtung Firmen wie Sun die Weichen stellen.