Laut einer Bitkom-Umfrage erwarten 78 Prozent der ITK-Firmen ein Umsatzplus, doch zugleich werden 59 Prozent durch den Mangel an Fachkräften in ihrer Geschäftstätigkeit behindert. Der Boom im IT-Sektor hebt den Bitkom-Index auf den Rekordwert von 63,5 Punkten – den höchsten Wert seit dem Start der Erhebung im Jahr 2001. Bundesweit gibt es zurzeit rund 20.000 offene Stellen in der ITK-Branche. Gesucht werden vor allem Software-Entwickler, IT-Projektmanager und IT-Berater mit Hochschulabschluss. Insbesondere mittelständische Software-Anbieter und IT-Dienstleister stellen ein. Ein deutliches Übergewicht offener Stellen gibt es im Süden und Westen Deutschlands, doch auch im Norden und Osten werden Experten gesucht und nicht gefunden.
Damit das Angebot an Arbeitskräften mit der dynamischen Entwicklung der Branche Schritt halten kann, sind laut Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer einschneidende Reformen in der Bildungs- und Zuwanderungspolitik erforderlich. Die Zahl der Studienanfänger im Fach Informatik ist seit 2000 um ein Viertel auf rund 28.000 eingebrochen. Davon erreicht aktuell nur die Hälfte einen Abschluss. Scheer fordert daher, dass an den Hochschulen die Förderung des Einzelnen im Vordergrund stehen solle und nicht wie bisher das Ausleseprinzip. Amerika könne hier als Vorbild dienen. Zudem sollten die Studiengänge mehr Praxisbezug bekommen, Fremdsprachen und soziale Kompetenzen vermitteln und internationaler ausgerichtet werden. Die Betreuungsleistung der Hochschullehrer müsse höher bewertet werden. Das Bachelor-Studium dürfe nicht zum reinen Durchgang für den Master-Abschluss werden.
Aber bereits die Schulen müssten mehr Begeisterung für technische Themen wecken, etwa durch Projektarbeit, Kooperationen mit Hochschulen, die Einführung der Informatik als Pflichtfach und die gezielte Förderung der Mädchen. In keinem anderen Industrieland wird der Computer so wenig im Unterricht eingesetzt wie in Deutschland – nach Scheers Meinung liegt das auch an den Lehrern: Viele verfügten noch nicht einmal über grundlegende Anwenderkenntnisse. Die Schulen müssten zudem stärker als bisher die Fähigkeit vermitteln, sich selbst zu lebenslangem Lernen zu motivieren.
Dringend notwendig ist es aus Sicht des Bitkom, dass Deutschland für ausländische Spitzenkräfte attraktiver wird und ihnen eine langfristige Perspektive bietet. “Die Erfahrungen mit der Greeen Card haben gezeigt, dass ein Gastarbeiterstatus für viele Hochqualifizierte nicht attraktiv ist”, sagte Scheer. Eine Reform des jetzigen Zuwanderungsgesetzes müsse die Halbierung der Einkommensgrenzen von derzeit 85.000 Euro für die Erteilung einer dauerhaften Niederlassungserlaubnis von ausländischen Fachkräften vorsehen. Auch müssten die Zuwanderungsregeln für Unternehmer erleichtert werden: Bisher ist eine Investitionssumme von 500.000 Euro und die Schaffung von fünf Arbeitsplätzen erforderlich. Der Bitkom plädiert zudem für die Einführung eines Punktesystems, bei dem die Auswahl von Zuwanderern über Kriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnisse und Alter erfolgt.
Die ITK-Branche müsse aber auch selbst aktiv werden und etwa das eigene Recruiting verbessern, stärker mit Hochschulen kooperieren, mehr Ausbildungsplätze und Möglichkeiten zur gezielten Weiterbildung schaffen. Für das kommende Jahr erwarten 77,8 Prozent der Unternehmen steigende Umsätze. Nach Berechnungen des Bitkom wird der ITK-Markt auf einen Umsatz von 149,1 Milliarden Euro wachsen. Bitkom-Präsident Scheer zog angesichts der Lage das Fazit, dass Bildungspolitik die beste Wirtschaftspolitik sei.
Der Branchenverband der in Berlin und Brandenburg ansässigen IT-Unternehmen SIBB e.V. hat sich speziell mit der Lage der IT-Industrie in der Region beschäftigt und festgestellt, dass bereits zahlreiche dort ansässige Unternehmen Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Der Verband fordert daher ein Absenken der Mindesteinkommensgrenze für ausländische Fachkräfte auf 40.000 Euro pro Jahr. Es gehe nicht nur um wenige hoch spezialisierte IT-Experten, sondern die IT-Industrie benötige auch einen quantitativ gut ausgestatteten Mittelbau. Der SIBB sieht hierzu Bildungspolitiker, Universitäten, Fachhochschulen und die eigene Industrie in der Pflicht. Neben dem Import von Fachkräften sei auch eine gemeinsame Bildungsinitiative von Berlin und Brandenburg erforderlich.
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