Er hat das Wort “Cyberspace” erfunden. Seine Werke haben viele Neuerungen vorweggenommen, die erst die jüngsten Technologietrends mit sich gebracht haben. Steve Ranger von silicon.com hat William Gibson anlässlich der Vorstellung seines neuesten Romans Spook Country getroffen.
silicon: Sie haben viel darüber geschrieben, wie die Menschen auf Technologie reagieren. Wie ist Ihre eigene Haltung dazu?
Gibson: Ich bin keineswegs immer auf dem neuesten Stand. Ich hinke vielmehr ziemlich hinterher. Aber das finde ich ganz gut so – indem ich nicht die Rolle des Konsumenten einnehme, kann ich unvoreingenommen damit umgehen. Ich bin überzeugt, dass die meisten gesellschaftlichen Änderungen heute technologiebedingt sind. Man kann also keine Vorhersagen über die Entwicklung der Welt machen, ohne sich die Auswirkungen neuer Technologien anzuschauen. Ich glaube wirklich, dass nichts anderes den Wandel in der Welt bedingt.
silicon: Waren die Auswirkungen der Technologie bislang positiv oder negativ?
Gibson: Darüber bin ich mir überhaupt nicht im Klaren. Wäre ich sehr Technik-affin oder im Gegenteil sehr technophob, dann könnte ich meinem Beruf wahrscheinlich gar nicht ausüben. Allgemein gesprochen glaube ich, dass Technologie moralisch neutral ist. Es kommt darauf an, wie und wozu Menschen sie verwenden. Soweit ich das beurteilen kann, bringt alleine der Markt neue Technologien hervor. Technologien, die die Gesellschaft wirklich veränderten, sind nicht per Gesetz entstanden. Ein Beispiel: In London gibt es eine blaue Gedenktafel, auf der steht “Hier ist der Fernsehrundfunk erfunden worden”. Niemand hatte damals so etwas wie eine Horrorvorstellung oder eine Vision von einer Welt der Videoüberwachung – das war das Letzte, an was man damals dachte. Initiatoren einer neuen Technik nehmen deren Veränderungspotential am allerwenigsten wahr. Technik und die damit einhergehenden Veränderungen sind von Natur aus unkontrollierbar. Könnte man sie kontrollieren, würde es nicht funktionieren.
silicon: Im Unterschied zu vielen anderen Ihrer Romane spielt Spook Country in der jüngsten Vergangenheit. Wie ist das für Sie, wenn Sie über die Vergangenheit statt über die Zukunft schreiben?
Gibson: Ich habe eine spekulative Fiktion über das Jahr vor dem vergangenen Dienstag geschrieben, statt wie bisher über das Jahr danach. Es geht dann weniger um intelligente, erfundene oder halbimaginäre neue Technologien und ihre Auswirkungen, als vielmehr um die Zwänge der Protagonisten. Diese sind letztlich technologiebedingt. Daher setze ich die gleichen Mittel ein, um die gleichen Sachen zu betrachten, sparte mir aber die Einbildung, dass dies in irgendeiner imaginären Zukunft spielt. silicon: Worin liegt also der Unterschied? Gibson: Es ist viel schwieriger, sich aus einer festgefahrenen Stelle im Plot zu befreien. Wenn ich über die Zukunft schreibe und nicht weiterkomme, dann kann ich einfach zurückgehen und einen anderen Aspekt der wundervollen Soundso-Maschine neu erfinden. Dadurch kann ich dann beispielsweise den Laster über den Kontrollpunkt fahren lassen oder was auch immer. Es ist schwerer für mich, den Inhalt eines Containers in Spook Country realistisch darzustellen, als irgendeinen imaginären Helden aus Chiba City zu erschaffen.
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