OOXML: Microsoft jubelte zu früh

Gestern versuchte Microsoft der Welt noch einen neuerlichen Sieg zu verkaufen: Office Open XML sei zum neuen Office-Standard erklärt worden. Nach einer Richtigstellung der ISO muss der Hersteller nun jedoch seine Niederlage eingestehen.

Microsoft hat in einer Mitteilung erklärt, dass 51 Mitglieder und damit 74 Prozent der gültigen Stimmen für eine Verabschiedung von ISO/IEC DIS 29500 gestimmt hätten. Für die endgültige Verabschiedung des Standards im März 2008 sei das ein wichtiger “Meilenstein”.

In einer E-Mail vom heutigen 5. September nennt Microsoft zwar neuerlich die 74 Prozent, erklärt jedoch: “Innerhalb der Gruppe der so genannten Participating (P)-Member hat Microsoft die geforderte Zwei-Drittel-Mehrheit vorerst knapp verfehlt. P-Member haben eine Verpflichtung, abzustimmen und sich aktiv an der Überarbeitung eines internationalen Entwurfs eines Standards zu beteiligen.”

Der Schwenk in der Aussage ist aller Wahrscheinlichkeit nach einer Aussendung der International Organization for Standardization (ISO) vom 4. September geschuldet. Hier heißt es: “Eine Wahl setzt mindestens zwei Drittel (66,66 Prozent) Ja-Stimmen der nationalen Körperschaften, die bei ISO/IEC JTC 1 teilnehmen voraus; außerdem dürfen nicht mehr als ein Viertel (25 Prozent) der nationalen Stimmen negativ sein. Keines dieser beiden Kriterien wurde erfüllt.”

Mit den Stimmen seien auch Kommentare zum Standard-Entwurf eingereicht worden, so die ISO weiter. Diese Änderungsanträge und Verbesserungsvorschläge müssen im Rahmen einer Tagung im Februar 2008 in Genf diskutiert werden.

Sollten diese Änderungen dazu führen, dass Nein-Stimmen zurückgezogen, und in Ja-Stimmen umgewandelt werden, könnte die Veröffentlichung des Standards weiter vorangetrieben werden. Andernfalls wird der Vorschlag als gescheitert angesehen und das ‘Fast-Track’-Verfahren werde eingestellt. Dadurch sei aber nicht ausgeschlossen, dass der Entwurf erneut vorgeschlagen werde. Allerdings nicht mehr im Schnellverfahren – der Vorschlag würde dann im regulären Standardisierungsprozess behandelt.

“Wir gehen davon aus, dass wir zusammen mit der ECMA in der Lage sein werden, aufgeworfene Bedenken zu beseitigen und die konstruktiven Kommentare zur Zufriedenheit unserer Kunden und Mitbewerber in unseren Standard einarbeiten zu können”, kommentiert Michael Grözinger, National Technology Officer von Microsoft Deutschland, das weitere Vorgehen des Herstellers.

Länder wie Australien und nach einigem Hin und Her auch Schweden haben sich der Stimme enthalten. In Schweden hatte Microsoft angeblich versucht, die Wahl zu beeinflussen. Nein-Stimmen kommen unter anderem aus Brasilien, Norwegen, Neuseeland und Indien. Eine etwas polemische grafische Übersicht  über das Abstimmungsverhalten der einzelnen Länder hat der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) unter dem Motto “Der erste weltweite Format-Krieg” online gestellt. Mit kleinen Totenköpfen kennzeichnet die Organisation diejenigen Länder in denen es zu “schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten” gekommen sein soll. Neben Norwegen und Schweden listet FFII hier unter anderem die USA, Deutschland, Schweiz, Polen, Portugal, Italien, Griechenland und Mexiko. Interessant ist die Haltung, die Großbritannien einnimmt. Die British Standards Institution (BSI) wolle nicht mitteilen, ob es sich der Stimme enthalten, mit Nein oder mit Ja gewählt hat.

Dennoch habe das Gremium “eine Reihe von technischen Fragen identifiziert, die angegangen werden müssten, bevor das Vereinte Königreich Open Office XML als Standard zustimmen” könne. Daher liegt die Vermutung nahe, dass von der Insel ein Nein mit Kommentaren gekommen ist.

Laut Angaben des BSI sind im großen Umfang Dokumente an ISO überreicht worden. Die eigene Wahl wolle Richard Taylor, Vorstand Marktentwicklung ICT und Mitglied des BSI, jedoch nicht kommentieren. “Das oberste Ziel ist ein robuster Standard. Die Aufgabe des JTC1 ist es, das umzusetzen.”