Chefredakteure wissen nicht, was Leser wollen
Die Themenauswahl, die Nachrichtenkonsumenten selbst treffen, unterscheidet sich deutlich von den Inhalten, die in Medien transportiert werden. So lautet das Ergebnis einer neuen amerikanischen Studie.
Dabei wurden die Schlagzeilen der Massenmedien mit den Meldungen dreier nutzergenerierter Online-Nachrichtendienste verglichen. “Die Nutzer werden verstärkt von vielseitigen Meldungen angezogen”, so Autor Tom Rosenstiel gegenüber der BBC. “Es zeigt sich die Tendenz, dass Leser interessante Artikel aus einer großen Menge roher Information aussieben und dabei Gerüchte, Klatsch, Propaganda und Nachrichtenmeldungen vermischen.”
Über einen Zeitraum von sieben Tagen verglichen Forscher des amerikanischen Pew Research Centers die Schlagzeilen in 48 unterschiedlichen Mainstream-Medien aus den Bereichen Print, TV, Radio und Online mit der Themengewichtung dreier nutzergenerierter Portale – Reddit, Digg und Del.icio.us. Die Interessen der professionellen Redakteure unterschieden sich dabei deutlich von den Vorlieben der Leser. Sieben von zehn Artikeln der Websites stammten nicht aus den klassischen Nachrichtenmedien, während sich nur fünf Prozent der Meldungen mit den zehn Themen deckten, die landesweit die meiste Berichterstattung erfuhren.
Während die Nachrichten in der Woche der Untersuchung vom Irakkonflikt und der Immigrationsdebatte bestimmt wurden, interessierte sich das Online-Publikum eher für den Konsolenkrieg zwischen Nintendo und Sony und die Vorstellung des Apple iPhones. Die Ausrichtung auf Technologie-Themen begründe sich darin, dass Early Adopters die ersten gewesen seien, die das Potenzial von User-generierten Inhalten erkannt hätten, analysiert Rosenstiel. Insgesamt fielen etwa 40 Prozent der populärsten Meldungen bei Digg und Del.icio.us in diesen Themenbereich.
Einen der größten Unterschiede gäbe es in der Hervorhebung einzelner Nachrichten, so die Forscher. Während Mainstream-Medien dazu tendierten, dasselbe Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten, bevorzuge das Publikum eher eine große Bandbreite an Informationen. “Es geht in die Richtung, dass Leser an wenig Information zu einer großen Zahl von Themen interessiert sind”, so Rosenstiel. “Es zeigt sich, dass Nutzer ihre Themenauswahl selbst im Stil eines Redakteurs treffen.” Das bedeute aber nicht, dass traditionelle Medien überflüssig geworden seien. “Das was hier passiert, ist eher ein zusätzlicher Diskurs zu den Nachrichten.”