Interview: “Der RFID-Joghurtbecher nervt”

Im Zentrum des Messeauftritts steht die Silverstroke-Software ‘Tagpilot’. Sie kommt unter anderem beim Automobilbauer Ford, beim Flugzeugbauer Airbus, bei der Lufthansa Technik Logistik und bei Siemens Transportation zum Einsatz.

silicon.de unterhielt sich mit Thomas Siegner, Head of Marketing und seit Jahren Mitglied der Geschäftsleitung bei der Softlab Group sowie Heidi Kupke, Vorstand von Silverstroke.

silicon.de: Herr Siegner, wie schon im vergangenen Jahr setzt Softlab, diesmal vertreten durch seine Tochter Silverstroke AG, auf der Systems auf das Thema RFID. Als Modethema ist RFID nicht mehr zu bezeichnen, woher rührt Ihre Hartnäckigkeit?

Thomas Siegner: Ehrlich gesagt, die Frage verstehe ich nicht. Wenn eine Thema ein Modethema ist, spricht zwar jeder drüber, aber niemand verdient Geld damit. OK, wir sind stolz darauf, dass wir schon sehr, sehr früh über RFID gesprochen haben. Inzwischen ist RFID ein Thema geworden, mit dem wir Geld verdienen, aber keine Sorge, wir sprechen auch noch drüber.

silicon.de: Im Zentrum des Messeauftritts steht die Silverstroke-Software Tagpilot. Können Sie diese näher erläutern?

Siegner: Diese Erläuterung überlasse ich sehr gerne Heidi Kupke, der Chefin von Silverstroke.

Heidi Kupke: Tagpilot ist mehr als eine Middleware. Es verbindet die reale Welt (Hardware) mit der virtuellen Welt (Backend-Systeme). Neben den klassischen Aufgaben einer Middleware – Filtern, Selektieren, Archivieren  –  besitzt Tagpilot ein Devicemanagement, eine Alerting- und Monitoringfunktionalität, ist on- und offlinefähig und integriert sich durch die offene Architektur in die bestehenden Systeme. Zudem ist Tagpilot in der Lage durch Integration von mobilen Geräten wie MDE-Geräten oder Mobiltelefonen die Prozesse bis hin zum Mitarbeiter zu automatisieren.

silicon.de: Frau Kupke, Sie behaupten, mit einer Auto-ID-Erfassung lassen sich die Durchlaufzeiten von Geschäftsprozessen um bis zu 90 Prozent reduzieren. Wie das?

Kupke: Das Herzstück von Tagpilot ist ein Workflow-System wodurch eine sehr hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an sich stetig verändernde Prozesse gegeben ist. Mit den Auto-ID-Technologien eliminieren wir manuelle Prozessschritte nahe zu komplett und können somit den Automatisierungsgrad steigern. Durch die gewonnene Transparenz und mit der an die Geschäftsprozesse angepassten integrierten Alarmierung kann schneller auf Fehlersituation reagiert werden.

silicon.de: Als EDV- und Backend-Systeme nennt Silverstroke ERP-Anwendungen wie SAP/R3. Stellen andere Lösungen – etwa von Sage, Infor oder Lawson – ein Problem dar?

Kupke: Nein, unsere System besitzt offene Schnittstellen, ist modular aufgebaut und somit an jede andere ERP-Anwendung anpassbar. Einige unserer Kunden besitzen sogar proprietäre ERP-Systeme, die wir problemlos ansprechen können.

silicon.de: Am Stand von RFID Vision demonstriert das Silverstroke-Team, dass Tagpilot mehrere Varianten der Auto-ID-Erfassung gezielt verarbeiten kann. Dadurch bietet das Softlab-Group-Unternehmen seinen Kunden maximale Flexibilität bei der Wahl der Erfassungs-Technologie. Zudem illustrieren anschauliche Live-Demos verschiedene Szenarien für den Einsatz von RFID, Barcode und GPS.

Kupke: Im Vordergrund all unserer Lösung steht die Prozessoptimierung. Zuerst schauen wir uns die Prozesse an und wählen dann die richtige Technologie aus. Schwerpunkte sind dabei Technologien zum Identifizierung, Lokalisieren und zur Zustandserkennung. Mit der Vielfalt unserer Anwendungsfälle wollen wir für jeden Kunden die richtige Lösung vor Ort vorführen.

silicon.de: RFID kommt unter anderem bei der Lufthansa Technik Logistik zum Einsatz. Im Gespräch mit Michael Zaddach, CIO des Münchner Flughafens, stellte dieser eine RFID-basierte Gepäckverfolgung für die kommenden Jahre in Aussicht. Die Schwierigkeit sei aber die internationale Diffusion der Technik: Es genüge nicht, wenn nur eine Handvoll Flughäfen sie anbiete. Wann wird RFID Ihrer Meinung nach an allen großen Flughäfen angekommen sein?

Kupke: Hier sollte man unterscheiden zwischen der Gepäckverfolgung innerhalb des Flughafens und während der kompletten Reise. Bereits heute nutzen einige Flughäfen wie beispielsweise der Schipol, Amsterdam, RFID zur Beförderung der Gepäckstücke innerhalb des Flughafens. Abhängig vom Alter und der Wirtschaftlichkeit der bestehenden Gepäckbeförderungsanlagen denke ich, dass in circa zehn Jahren die großen Flughäfen ihre Anlagen modernisiert haben werden. Kofferhersteller, Flughäfen, Airlines und Flugzeugbauer arbeiten seit einigen Jahren daran, ein automatisiertes Tracking- und Tracing-System aufzubauen. Standardisierungen und Frequenzen sind dabei als Herausforderungen zu meistern. In dem Moment, wo wir keine Papiertickets mehr haben, wird es auch nicht mehr lange dauern, bis unsere Gepäckstücke flughafenübergreifend ausgelesen werden können.

silicon.de: RFID ist nun seit Jahren in aller Munde – macht aber bei der Verbreitung nur langsame Fortschritte. Der RFID-Joghurtbecher ist immer noch Zukunftsmusik. Warum tut sich die Technik so schwer?

Siegner: Schöner Doppelsinn der Frage – noch ist RFID nicht in aller Munde, das kommt vielleicht noch. Aber in ernst: Der RFID Joghurtbecher geht mir genauso auf die Nerven wie der sprechende Kühlschrank. Das sind zurzeit offensichtlich Anwendungsfälle. Hier ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis absurd. Die Öffentlichkeit wird  verunsichert und eine gute Technologie wird verkannt. Lassen Sie uns die sinnvollen und wirtschaftlichen Anwendungen angehen, wie beispielsweise Container- und Fahrzeugmanagement oder auch ein Assetmanagement. Der weltweite Kampf gegen die Produktpiraterie wird der Technologie weiterhin Aufschwung geben. Am Ende bleibt die gleiche Feststellung wie am Anfang: Inzwischen verdienen wir Geld damit.

Zu finden ist Silverstroke am Gemeinschaftsstand von RFID Vision in Halle B1, Stand 109. Dort zeigt das Unternehmen vom 23. bis 26. Oktober Praxisbeispiele für die Nutzung von aktiver und passiver RFID-Technologie, Barcode-Erfassung und GPS-Lokalisierung.

Silicon-Redaktion

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