Ein umfangreicher, detaillierter Bericht soll die Forderungen untermauern. Großbritannien will der EU-Kommission viel stärker auf die Finger sehen und erwartet profundere Verträge und dezidierte Risikopläne. Sonst könnten die Zahlungen eingestellt werden und die Engländer das gemeinsame Projekt letztendlich sogar verlassen – so lautete die Drohung aus London.
Grundlage dessen ist, dass die ursprünglichen Voraussetzungen einer Public Private Partnership aus Wirtschaft und EU seit einigen Monaten nicht mehr gegeben seien. Über diverse EU-Töpfe soll vermehrt auf Staatsreserven zurückgegriffen werden, weil das Galileo-Konsortium, dem auch Deutsche Telekom und EADS angehören, seinen Verpflichtungen in der Partnerschaft bereits im Sommer dieses Jahres nicht mehr nachgekommen war. Die Finanzierung müsse daher ganz neu verhandelt werden. Die alten Relationen taugten nicht mehr, da sich die Anteile des Milliardenprojekts praktisch komplett umgekehrt hätten. Dem britischen Steuerzahler könne diese Last nicht zugemutet werden.
Der Bericht ist übrigens der zweite zu Galileo. Im Jahr 2004 war das Projekt in einem ersten Arbeitsgang begrüßt worden. Wie nun aus dem aktuellen Papier hervorgeht, ist die Skepsis gegenüber Galileo keine Einzelmeinung im Transportausschuss des britischen Unterhauses, sondern Regierungshaltung. Die zuständige Ministerin für Transportwesen wird mehrmals mit Worten wie diesen zitiert: “Wir unterstützen Galileo nicht um jeden Preis.” Rosie Winterton, MP, sagte weiter, das Projekt müsse im Gegenzug für das eingesetzte Geld einen echten Mehrwert bringen, außerdem müsse die Balance zwischen Kosten und Nutzen bei Galileo gewahrt bleiben. “Deshalb üben wir weiterhin Druck aus, um hierüber größere Klarheit zu erlangen.”
Immerhin führte sie laut dem Bericht in Parlamentsdiskussionen mehrmals die Summe an, die Großbritannien allein im Jahr 2007 über verschiedene EU-Beiträge gezielt an das Galileo-Projekt geliefert habe: 96,7 Millionen britische Pfund oder 137,92 Millionen Euro. Das sind laut Aussagen des Ministeriums 17,1 Prozent der Jahresleistung der Gesamt-EU für das Projekt, nämlich 778 Millionen Euro für das Jahr 2007. Insgesamt geht die britische Regierung von Entwicklungskosten in Höhe von 7,96 Milliarden Euro und Betriebskosten für die ersten 20 Jahr von weiteren knapp 7 Milliarden Euro aus, also insgesamt einem Block von rund 14 Milliarden Euro, die für den Anschub des Projektes aufgebracht werden müssen, bevor es Gewinn abwirft. 17 Prozent hiervon will London zurückhalten, bis alle Fragen geklärt sind.
Die Briten schlüsselten sehr präzise auf, wie sich die Beträge zusammensetzen und fragen sich nun dringend, wie nach dem Quasi-Wegfall der finanzstarken Partner aus der Wirtschaft eine Finanzierung aussehen könne. Schließlich wird zum Aufbau augenscheinlich auf dieselben Firmen zurückgegriffen, die aus der Public Private Partnership zuvor ausgestiegen waren. Die Briten haben nun Angst davor, dass die staatlichen Stellen die Kosten allein tragen, während die Wirtschaft nutznießt und den Aufbau auch noch zu 100 Prozent aus Steuergeldern finanziert bekommt. Sie warnten eindringlich davor, das ursprüngliche Risikomanagement beizubehalten. Jetzt, da quasi die Gruppe der ursprünglichen Investoren weggefallen sei, seien nun einmal andere Grundvoraussetzungen für den Aufbau gegeben.
Besondere Aufmerksamkeit verdiene die Frage, wie mit den ehemaligen Partnern aus dem Galileo-Konsortium umgegangen werden soll. Und wie die Verträge aussehen könnten, nachdem diese ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind. Vor allem interessieren sich die Unterhaus-Abgeordneten dafür, wie in jeder Stufe des Aufbaus gewährleistet werden könnte, dass immer noch das Prinzip des freien Wettbewerbs um konkrete Aufträge existiert, auch wenn einige Konzernnamen mittlerweile eng mit dem Namen Galileo verknüpft sind.
Der Transportausschuss des Unterhauses schlug der Regierung vor, das “Galileo-Fiasko” nicht weiter zuzulassen. Sie dürfe trotz eingeschränkter Mitsprachemöglichkeiten der britischen Euro-Skeptiker nicht im Ringen um Transparenz nachlassen. Es solle weiterhin vehement versucht werden, Klarheit zu erhalten, wobei das eigene Gewicht innerhalb der EU durchaus realistisch eingeschätzt wurde. Die Autoren des Berichts wollen eine Kostenaufstellung sehen, die “von gesundem Menschenverstand und guter Buchführung” geprägt ist. Und dies noch bevor noch ein einziges britisches Pfund in die Galileo-Kassen fließt. Beides vermissen sie bei bisheriger Prüfung des Projektes. Sie rieten dem Premierminister, darauf zu drängen, dass innerhalb der EU “nie wieder in solch inakzeptabler Manier oder auf Basis solch schiefer Beweislage und Analysen eine Entscheidung der Mehrheit durchgedrückt” werde. Gegen Galileo an sich, das betonten sie, haben sie nichts. Doch die Entscheidung, sich zurückzuziehen, müsse auch den staatlichen Partnern offenstehen. Vor dem 29. November will London einen ganzen Tag mit Diskussionen zu Galileo verbringen.
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