Das lohnende Geschäft mit freier Software
Die wachsende Beliebtheit quelloffener Software bleibt nicht ohne Folgen für den Markt. Dass damit nicht das große Geld verdient wird, wirkt sich zum Vorteil der Anwender aus – und zum Nachteil der etablierten Softwarehersteller.
Entgegen aller Kassandra-Rufe aus Redmond: Das Konzept der freien Marktwirtschaft ist bist dato nicht ins Wanken geraten. Vor einigen Jahren sprach Microsofts Führungsriege gar von “Kommunismus”, wenn von kostenlos zur Verfügung gestellter Software die Rede war. Dennoch sorgt das Open-Source-Modell bereits für Verschiebungen im Markt. Im Dunstkreis offener Projekte haben sich wirtschaftlich erfolgreiche Firmen etabliert. Und Microsoft-CEO Steve Ballmer sieht sich nicht so sehr technologisch von Linux und anderen quelloffenen Produkten herausgefordert, wie er neulich vor Finanzanalysten erklärte, als vielmehr von dem zugrundeliegenden Geschäftsmodell.
Ein Rezept für ein erfolgreiches Open-Source-Unternehmen gibt es bislang nicht. Doch auch wenn kein Open-Source-Businessmodell wie das andere ist, haben sich inzwischen verschiedene ‘Geschmacksrichtungen’ etabliert – mit unterschiedlich großem Erfolg. Und nicht alle haben den unmittelbar generierten Umsatz als primäres Ziel. Offene Software kann auch dazu dienen, die eigene Entwicklergemeinde zu vergrößern oder den Fuß in die Tür eines bestimmten Marktes zu bekommen. Eines haben jedoch all diese Modelle gemeinsam: Sie folgen, wie alle herkömmlichen Geschäftsmodelle, den unerbittlichen Gesetzen des Marktes.
“Open Source an sich ist kein Businessmodell”, erklärt Mårten Mickos, CEO des schwedischen Vorzeigeunternehmens MySQL. Der Begriff definiere ein technologisches Modell, das in gewisser Weise dem Vorbild der akademischen Forschung folgt. Daher, so Mickos, seien separate oder ergänzende Modelle nötig, um als Unternehmen daraus zu profitieren. Und diese Modelle – obwohl in einem aufregenden und revolutionären Umfeld angesiedelt – beruhen meist auf ganz traditionelle Geschäftsideen.
Lizenzen, Service und Abonnements
Trotz dieser vordergründigen Unwirtschaftlichkeit von Open-Source-Software (OSS) erscheinen derzeit gerade Firmen mit quelloffenen Produkten für Geldgeber interessant und es fließt immer mehr Risikokaptial in Unternehmen aus dem Open-Source-Umfeld. Neben MySQL gibt der der Venture-finanzierte PHP-Spezialist Zend Technology hierfür ein Beispiel.
Grundsätzlich lässt sich auch mit offener (und im Prinzip kostenloser) Software durchaus Geld verdienen. Novell mit Suse Linux und Red Hat haben es vorgemacht. Red Hat etwa generiert den Großteil des Umsatzes mit so genannten Abonnements. Das beinhaltet Hilfe bei der Installation, Wartung, Updates, Support und Schulungen. Darüber hinaus gibt es Lizenzumsätze mit eigener Software, jedoch in geringerem Maße: Von den 106 Millionen Dollar Umsatz im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2007 entfielen knapp 89 Millionen Dollar auf Abonnements.
Red Hats Angebot (und damit auch dessen Geschäftsmodell) ist im Enterprise-Markt gut angenommen worden, weil es dem Anwender mehr als Service und Support zusichert. Zusammen mit den daran verknüpften Dienstleistungen wird ein “zertifizierter OSS-Stack geliefert, der auf Skalierbarkeit und Interoperabilität hin getestet ist”, erklärt Gartner-Analyst Nicos Drakos. In etwas geringerem Maße können diese Unternehmen auch vom Beratungsgeschäft sowie der Integration mit proprietären Lösungen profitieren.
Investitionsschutz oder ‘unfakeable Linux’
Dem Software- oder Service-Abonnement könnte die längerfristige Zukunft gehören. So bewegt sich auch Microsoft, das nach wie vor den Großteil der Umsätze mit dem Verkauf von Lizenzen erzielt, zum Beispiel mit der ‘Software Assurance’ oder den Web-basierten Diensten der ‘Live’-Familie, vom Modell der perpetuellen Lizenz weg. Carlo Velten, Advisor bei der Experton Group, sieht zudem “eine wachsende Bereitschaft bei Unternehmern und Anwendern, Services und Abonnements und nicht mehr nur Lizenzen zu erwerben”.
Red Hat verlässt sich mittlerweile voll und ganz auf sein Maintenance- und Support-Modell. “Das ist eigentlich schon fast wie eine Softwarelizenz”, kommentiert Drakos. Und damit sei das vorherrschende Open-Source-Geschäftsmodell auch vom Lizenzgeschäft mit proprietärer Software nicht all zu weit entfernt.
Auch seine Investionen in dieses Geschäftsmodell hält Red Hat für sicher. “Einen Investitionsschutz aus Sicht der Anbieter erreicht man im Fall von Open Source, wenn man bestimmte Teile der Technologie zurückbehält oder Dienstleistungen anbietet, die über den Software-Code hinausgehen, wie beispielsweise Zertifizierungen”, erläutert Drakos.
Dass die Investitionen dieser Unternehmen in die Produkte, trotz offener Struktur und der Möglichkeit diese frei weiterzuverbreiten, relativ sicher sind, zeigen auch die Versuche von Oracle oder CentOS, den Support beziehungsweise das Produkt von Red Hat zu kopieren und Software, Wartung sowie Support billiger als der Originalhersteller anzubieten. Beide Versuche konnten dem Linux-Primus bisher keinen nennenswerten finanziellen Schaden zufügen.