Open-Source-WCM und -CRM, Enterprise Resource Planning und ein Leitfaden
“Open Source im Bereich des Content-Managements ist auf dem Vormarsch, und ich bin mir sicher, dass dies kein Hype ist”, sagt Michael Schäfer, Director ECM beim IT-Dienstleister Westernacher. Im Bereich des Web-Content-Managements (WCM), also beim Gestalten von begrenzten Internetauftritten, haben sich Open-Source-Lösungen sogar bereits als De-Facto-Standard etabliert. Unzählige Web-Agenturen haben Know-how in diesem Bereich aufgebaut und sich spezialisiert, indem sie die eigenen Arbeits- und Entwicklungsprozesse an offene Lösungen wie Typo3 anpassen. Unterdessen feilen Programmierer an neuen Standards und einer verbesserten Architektur.
Das Kundenspektrum reicht von großen Unternehmen aus der Medienbranche über Touristikdienstleister bis hin zu öffentlichen Einrichtungen. Exakte Zahlen über den Businessmarkt der OSS-basierten WCM-Tools sind jedoch Mangelware. Die Typo3-Organisation etwa führt keine offiziellen Statistiken über Kennzahlen wie Umsätze oder Anzahl der Unternehmen, die sie bereits einsetzen.
Nach Schätzungen der deutschen Fachzeitschrift “T3N” dürfte Typo3 derzeit weltweit bei rund 220.000 Servern in 45 Sprachen installiert sein. Die Community, die sich aktiv mit der Weiterentwicklung beschäftigen, sei auf rund 40.000 Nutzer angewachsen. Im deutschsprachigen Raum seien es mehr als 1000 spezialisierte Agenturen, die sich hauptsächlich mit der Umsetzung von Typo3-Internetpräsenzen befassten. Immerhin etwa 80 Schulungsanbieter haben sich auf die reine Wissensvermittlung konzentriert.
Dennoch fällt der Vergleich zwischen einer bereits am Markt etablierten proprietären Lösung und den Neulingen auch für Experten nicht immer leicht. Denn bei der Kalkulation der Einführungskosten einer Open-Source-Lösung im Bereich des Web-Content-Managements gilt es, eine Vielzahl kommerzieller WCM-Lösungen zu vergleichen. “Durch Spezialisierung auf bestimmte branchenspezifische Anforderungen erreichen diese jedoch deutlich geringere TCO-Werte als die alternative Adaption einer lizenzkostenfreien Open-Source-Lösung”, bilanziert Schäfer. Nichtsdestoweniger sollten gerade kleine und mittlere Unternehmen bei einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung der Open-Source-Lösungen im Bereich WCM auf die saubere Kalkulation verdeckter Inhouse-Kosten achten. Ein ‘Out-of-the-box’-Vorteil kommerzieller Lösungen lasse sich aber kaum mehr aufrecht erhalten. Schäfer: “Open-Source-Lösungen setzen in der Regel aktuelle Standards um und bieten Unternehmen daher ein hohes Maß an Investitions- und Zukunftssicherheit.”
Ein Unternehmen, das ECM und Open Source anbietet, hat damit derzeit hervorragende Karten in der Hand. Ein solches Unternehmen ist Alfresco . Erst dieses Monat hat es eine erste europäische Zentrale in Großbritannien eröffnet. In den USA kann es 300 zahlende Kunden, 12.000 Installationen und über 600.000 Downloads vorweisen. Zu den Kunden gehören Organisationen wie Reed Managed Services, Swansea Housing Association, The MOD Defence Academy und Amnesty International.
Gerade hat das Unternehmen Alfresco Community 2.1 zum Download freigegeben. Die Software bietet über eine URL-Schnittstelle Zugriff auf Unternehmensinformationen, Metadaten, Abfragefunktionen und Komponenten der Benutzeroberfläche.
Was die Einbindung von Unternehmensdaten in Tools für das Customer-Relationship-Management anbetrifft, so entwickelt sich Open-Source-Spezialist Sugar CRM zu einer ernsthaften Alternative gegenüber etablierten Rivalen wie Salesforce.com, aber auch Oracle und SAP.
Und damit zur Königsdisziplin der Unternehmenssoftware: Laut Gartner erwägen zwölf Prozent der Unternehmen, die sich mit OSS beschäftigen, auch deren Einsatz für Enterprise Resource Planning (ERP). Und es gibt ja auch bereits Open-Source-ERP-Projekte in Anwenderunternehmen. Laut Forrester handelt es sich dabei oft um kleine Unternehmen, denen der vorgefundene Funktionsumfang reicht und die vor allem wegen des günstigen Preises zur OSS greifen – genauer gesagt, weil sie kostenlos aus dem Netz geladen werden kann.
Auf das größte Interesse stößt Open Source natürlich bei Unternehmen mit ausgeprägtem Programmier-Know-how im eigenen Hause. Das sind zum einen Dienstleister, die die ERP-Halbfertigware in ERP-Projekten für Kunden nutzen, um das Rad nicht immer neu erfinden zu müssen. Zum anderen sind es Anwenderunternehmen, die aufgrund ihrer Branche einen extrem hohen Anpassungsaufwand treiben.
Ein gutes Beispiel für Open-Source-ERP bietet Godesys. Dessen Entwicklungsplattform setzt sich nicht nur aus Open-Source-Komponenten zusammen, sondern wird auch im Quellcode kostenlos abgegeben. Die mit der Plattform entstehenden ERP-Komponenten oder Services lassen sich dann technisch leicht in die Godesys-Umgebungen einbinden. Ob die Integration auch betriebswirtschaftlicher Funktionen einigermaßen reibungslos gelingt, hängt stark von der Tauglichkeit der SOA-Standards und deren Umsetzung in den Unternehmen ab. Ziel von Godesys ist es, über Open-Source-Marketing und dem Versprechen einfacher Diensteintegration Entwickler und Anwender auf die Godesys-Plattform zu locken. Dabei nimmt das Unternehmen anders als etwa Sage oder SAP in Kauf, dass der Umsatz mit dem Verkauf eigener ERP-Komponenten zurückgeht, und hofft, dass der Anteil am Service-Geschäft steigt.
Reine Open-Source-Anbieter im Bereich ERP sind etwa Sugar mit CRM Compiere, Tiny ERP, Gnu Cash oder Openbravo. Doch die globale Open-Source-Entwicklergemeinde tut sich aus mehreren Gründen mit ERP-Projekten schwer. Die Community hat sich nämlich bislang schwerpunktmäßig mit Betriebssystemen, Datenbanken und Entwicklungswerkzeugen befasst, so dass es schlicht an Programmierern fehlt, die über fundiertes betriebswirtschaftliches Know-how verfügen. Der Mangel verschärft sich dadurch, dass viele ERP-Funktionen sich wegen gesetzlicher Regeln von Land zu Land unterscheiden, so dass Entwickler aus dem Ausland keine Hilfe bieten können. Schließlich hat jede Branche zu Branche ganz eigene Anforderungen.
Einen langer Atem beim Hersteller verlangt zudem die Behebung des Hauptmangels offener ERP-Software bei Funktionsvielfalt und Funktionstiefe. Av ERP (von Synerpy) fehlt es ebenso wie Tiny ERP an einer Finanzbuchhaltung und die ASP-Software Compiere ist nur auf Provider-Ebene Open Source – und selbst dort auf die lizenzpflichtige Oracle-Datenbank angewiesen. Außerdem mangelt es der schon 1999 entwickelten Software an Funktionen für den Fertigungsbereich.
Um sich nicht in den Fallstricke von Open Source zu verheddern, gibt der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. kurz: Bitkom – einige nützliche Tipps. Folgende Elemente sollte etwa eine vom Unternehmen selbst gepflegte Datenbank für das Projektassessment enthalten:
Damit steht dem Einsatz von OOS in Unternehmen eigentlich nichts mehr im Wege. Lücken in offenen Lizenzfragen werden demnächst geschlossen werden. Bis dahin aber gilt die Maxime, sich auf unsicherem Terrain mit einem rechtlich fundierten Vergleich abzusichern. Auch müssen die Investitionsrisiken möglichst detailliert überblickt werden, um mit der einen wie der anderen Variante nach der Einführung keine böse Überraschung zu erleben.
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