Vorratsdatenspeicherung als Kostenfalle

Während das Bundesverfassungsgericht sich noch mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes beschäftigt, sehen Kritiker die verpflichtende Aufzeichnung von elektronischen Kommunikationsvorgängen weiterhin als Angriff auf die persönliche Freiheit von Bürgern und Kostenfalle. “Die Bundesregierung verspricht Sicherheit, liefert aber nur sichere Einnahmen für die Überwachungsindustrie”, kritisiert etwa Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.

“In einer freien Gesellschaft hat die Überwachung der Reisebewegungen jedes einzelnen ebenso wenig Platz, wie die Überwachung des Telekommunikationsverhaltens”, so Remmert-Fontes mit Blick auf die von EU-Kommissar Frattini mittlerweile auch vorgesehene Speicherung von Flugreisedaten der Bürger. Erfasst werden sollen sämtliche Flüge zwischen Europa und Nicht-EU-Staaten. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hatte zum Jahreswechsel die Verfassungsbeschwerde gegen die sechsmonatige Speicherung aller Verbindungsdaten mit initiiert.

Auch der Verband der deutschen Internetwirtschaft hat das Gesetzgebungsverfahren sehr kritisch begleitet. “Die Information, wer wann mit wem telefoniert hat, eine E-Mail geschickt hat oder im Internet war, lasse weitreichende Schlüsse über persönliche Lebensumstände zu”, sagt Oliver Süme, Vorstand Recht und Regulierung des Verbandes. Ihre Nutzung müsse deshalb auf den Zweck der Aufklärung von gravierenden Straftaten und Auskünfte gegenüber Strafverfolgungsbehörden beschränkt bleiben, so die Argumentation des Verbandes. Die ursprüngliche Rechtfertigung für das Anhäufen riesiger Mengen sensibler Daten über die Kommunikationsverbindungen aller Bürgerinnen und Bürger war die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Genutzt werden dürfen sie nun aber zusätzlich zur Gefahrenabwehr, durch Nachrichtendienste, und zur Aufklärung auch minder schwerer Straftaten.

Eco-Vorstandsvorsitzender Michael Rotert weist darüber hinaus auch auf die Kostengesichtspunkte für Behörden und Unternehmen hin: “Aus technischer Sicht kann man die Forderungen der Politiker an die Serviceprovider nur als Hirngespinste abtun, vor allem weil die Politiker glauben, dass man mit dieser kostenlosen Unterstützung durch die Serviceprovider Geld sparen kann. Das Gegenteil wird der Fall sein. Die meisten Behörden sind weder personell noch technisch ausgestattet, die sich jährlich verdoppelnden Datenströme ermittlungstechnisch zu analysieren”, so Rotert.

Die Vorratsdatenspeicherung verpflichtet ab 2009 auch alle Internet Service Provider, Daten der Nutzer für sechs Monate zu speichern. “Welcher Beamte kann 15.000 Mail-Adressen und 500.000 An- und Abmeldungen analysieren, denn so viele fallen allein beim Dienst E-Mail bei drei Monaten Überwachung an einem einzigen Account an. Und 95 Prozent davon sind Spam. Die Mehrbelastung bei den Providern haben letztendlich die Endverbraucher zu tragen”, prognostiziert Rotert. Die Lobby der Rechteinhaber, so bemängelte der Eco-Verband, möchte dabei erreichen, dass sie ohne richterliche Kontrolle einen direkten Auskunftsanspruch bekommt. Würden die Beschränkung der Verwendung der Daten und der Richtervorbehalt aufgehoben, hätten Private sogar einen leichteren Zugriff auf die Vorratsdaten als staatliche Stellen.

“Die Vorratsdatenspeicherung sorgt bei vielen Unternehmen für Missmut, erzeugt Kosten und Aufwand”, bestätigt Omar Khorshed, Vorstandschef der Düsseldorfer acoreus AG, ein Outsourcing-Dienstleister für Kundenmanagement, Abrechnung und Zahlungsverkehr . Mit dem Paradigmenwechsel im Datenschutz, weg vom bisher geltenden Verbot anlass- und verdachtsunabhängiger Datenspeicherung, würden die Nutzer in Deutschland unter Generalverdacht gestellt. Er erwartet außerdem, dass “die Verbände der Musik- und Filmwirtschaft, die die Daten zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen nutzen wollen, die Ermittlungsbehörden mit Anzeigen lahm legen und die Fahndung nach Terroristen erschweren.”

Silicon-Redaktion

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