Interview: “MySQL wird anders aussehen”

silicon.de: Hallo Herr Arnö, schön, dass Sie die Zeit für ein Interview mit uns gefunden haben. Dürfen wir denn zur Übernahme durch Sun Microsystems gratulieren, oder lieber nicht, schließlich macht der Merger ja den lange gehegten Plan eines Börsenganges überflüssig.

Kaj Arnö: Gratulieren schon! Klar, jetzt gibt es keinen unabhängingen Börsengang. Aber es fühlt sich so an, als ob wir jetzt etwas noch besseres erleben können!

silicon.de: Bleiben wir beim Geschäft, sehen Sie Schwierigkeiten bei den unterschiedlichen Lizenzformen und den doch in einigen Details verschiedenen Geschäftsmodellen von Sun und MySQL. Müssen sich Anwender eventuell anpassen?

Arnö: Lizenzschwierigkeiten fürchte ich eigentlich nicht. Es gibt keine geplanten Änderungen, weder seitens MySQL noch seitens Sun. Und wenn es welche gibt, dann wahrscheinlich in die Richtung einfacher. Es stimmt schon, dass es mehrere Lizenzen gibt, sowie die Frage von GPLv2 oder GPLv3. Das sind aber keine besonders schwierigen Fragen. Aber eines Tages muss das in Angriff genommen werden. Den Reaktionen der Benutzergemeinschaft sehe ich aber gelassen entgegen, denn wir haben gute Absichten.

silicon.de: Muss MySQL sich anpassen, zum Beispiel Services ausbauen?

Arnö: MySQL passt sich ständig an veränderte Bedingungen an. Die Welt von MySQL innerhalb von Sun wird schon etwas anders aussehen, als sie aussehen würde, wären wir unabhängig geblieben. Ich sehe die Anpassung aber in erster Linie als eine hervorragende Möglichkeit für neue Geschäfte. Die Integration mit Sun sehen wir als Erweiterung. Auch die Unterstützung von LAMP (Linux, Apache, MySQL, PHP/Perl) bleibt oder wächst.

silicon.de: Wird sich das Produkt verändern, wird es mehr auf die Bedürfnisse größerer Kunden zugeschnitten werden?

Arnö: Das Produkt befindet sich in einem ständigen Wandel. Wie gesagt, geht es hier um zusätzliche Eigenschaften. Das betriff die Bedürfnisse großer wie kleiner Kunden, sowie der Community, die einfach MySQL nutzt.

silicon.de: Solaris war und ist für MySQL ein besonderes Betriebssystem, dennoch haben die meisten MySQL-Anwender Linux oder Microsoft als Plattform. Soll sich das jetzt ändern?

Arnö: Der Kunde wählt sein Betriebssystem selbst. Wir haben überhaupt keine Absichten, Linux oder Microsoft als Betriebssysteme irgendwie zu benachteiligen. Sun hat aber über Solaris Einflussmöglichkeiten, die es aus natürlichen Gründen bei Nicht-Sun-Betriebssystemen nicht gibt. Dies kann schon bedeuten, dass MySQL unter Solaris künftig besser integriert wird, als es heute der Fall ist. Wäre ja dumm, wenn solche tolle Möglichkeiten unausgenutzt blieben. Aber wie gesagt, nicht zum Nachteil von Linux oder Windows.

silicon.de: MySQL hat eine Community-Version und eine kostenpflichtige Enterprise-Version im Angebot. Bislang ist das Verhältnis etwa 1 zu 1000. Hoffen sie mit Sun als Partner vieler großer Unternehmen, die Zahl der kommerziellen Lizenzen weiter steigern zu können?

Arnö: Sicher gibt es Möglichkeiten, das Verhältnis zu verbessern. Für Sun geht es aber mit MySQL nicht nur um MySQL Enterprise, sondern auch um die zusätzlichen Möglichkeiten, für MySQL-Kunden zusätzlich Sun-Software oder Sun-Hardware anzubieten.

silicon.de: Werden sich durch den Merger in den Prozessen mit der Community entscheidende Änderungen vollziehen?

Arnö: Keine entscheidende Änderungen sind in Sichtweite. Sun hat ein gutes Verhältnis zur Open-Source-Community, und wir haben eine sehr ähnliche Auffassung von der Community.

silicon.de: Sehen Sie eine Gefahr durch Suns Kooperationen mit anderen Herstellern wie zum Beispiel Oracle, IBM oder Microsoft?

Arnö: Eine Gefahr für wen? Für den MySQL-Benutzer nicht. Für den Benutzer von Oracle, IBM oder Microsoft? Wohl auch nicht, denn Sun arbeitet mit diesen Herstellern zusammen, und Jonathan Schwartz hat Suns Commitment in seinem Blog wiederholt. Es geht hier um zusätzliche Möglichkeiten, nicht um beschnittene Möglichkeiten, für wen auch immer.

silicon.de: Sun hat 1 Milliarde Dollar für MySQL bezahlt, viel zu wenig, werden einige sagen, aber Sun will sicherlich das Investment wieder hereinspielen, wie kann Sun das nach ihrer Meinung am schnellsten? Oder ging es bei dieser Übernahme Schwartz und Co vor allem um ‘Street-Credibility’ in Sachen Open Source?

Arnö: Street Credibility ist gut, aber das Hereinspielen vom Investment kommt durch MySQL selbst, durch Verkauf von zusätzlichen Dienstleistungen und von mehr Sun-Hardware.

silicon.de: Stimmt das mit dem Gespräch mit Mårten Mickos und Jonathan Schwartz, wie er in seinem Blog schreibt. Führte der Abschluss der Gespräche tatsächlich über einen kleinen Plausch über Finnland?

Arnö: Klar stimmt es! Mårten kommt aus Finnland. Das tut übrigens der Firmengründer Michael ‘Monty’ Widenius auch. Und ich auch. Und nicht gerade wenige andere in MySQL. Wir sind stolz darauf. Auch wenn einige von uns jetzt in Silicon Valley, in München, Paris oder anderswo leben. Wir glauben auch, dass vieles im Bereich von Open Source und von MySQL mit skandinavischer Lebenseinstellung und Werten zu tun hat. Und da beziehe ich mich nicht in erster Linie auf unsere schwedischen Trinklieder.

Silicon-Redaktion

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