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Diese Jugend

Ungehemmt verlangt jeder, sie möge doch so sein, wie er sie gerne hätte, und jammert dann darüber, dass sie nicht so ist.

Und was sagt jene Jugend dazu? – Nix, gar nichts. – Da waren wir aber anders!

Der Generalsekretär des Zentralverbands des deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer, etwa hat dieser Tage erklärt, jeder vierte Jugendliche, der eine Lehrstelle antritt, könne nicht richtig lesen, schreiben und rechnen. Früher hätte eine derart dreiste Behauptung Proteststürme ausgelöst.

Aber heute? – Keine Reaktion. Vielleicht hat’s ja auch niemand von den Angesprochenen gehört. Ist halt schwierig wegen der Ohrhörer vom MP3-Player.

Wie wär’s denn, Youngsters, wenn Ihr einmal was fordern würdet – so wie wir früher – und wenn Ihr Zensuren verteiltet, anstatt immer nur selbst benotet und beurteilt zu werden. Nein, nicht Noten für Eure Lehrer sollt Ihr auf irgendwelchen Web-Sites vergeben. Das sind doch Schülerscherze. Wirtschaft und Politik sollt Ihr benoten, also die, die immer über Euch herziehen.

Dazu gleich – ungefragt – der Tipp eines älteren Herren: Im Internet finden sich jede Menge Hinweise darauf, wie’s denn um die Deutschkenntnisse der hiesigen Wirtschaftslenker bestellt ist, auf der Site von ebendiesem ZDH beispielsweise.

Dort wünscht sich der oberste Handwerkerverein in einer aktuellen Presseerklärung, “dass es in 2007/ 2008… aufwärts geht!” Und auf 1,8 Millionen weiteren – vermeintlich auf Deutsch verfassten Seiten – ist von “in 2007” die Rede. Schüler hingegen wissen aus dem Unterricht, dass nur im Englischen ein “in” vor der Jahreszahl korrekt ist.

Also? – Genau: Das Deutsch, das in Wirtschaftkreisen gepflegt wird ist mit Mängeln behaftet – Note demnach: Mangelhaft! Das würde sich doch gut machen im Zeugnis des Exportweltmeisters. Vielleicht noch eine handschriftliche Anmerkung vom Oberlehrer dazu: “Der Versuch, Weltläufigkeit vorzutäuschen, berechtigt nicht zu Grammatikfehlern.”

Aber die fachlichen Zensuren sind’s ja gar nicht, worauf die Betriebe heutzutage achten. Der neuste Renner sind vielmehr Kopfnoten, in Ziffern gepackte Sekundärtugenden. Und bei denen liegt vieles im Argen.

“Man braucht sich doch nur mal die Bewerbungen anschauen, die eingehen”, klagen Personaler. – Deshalb ist im Netz denn auch ein lukrativer Markt rund um das Stellengesuch entstanden.

“Bewerbungsmappe” gehört zu den teuersten Adwords bei Google. Und jenseits der Mappen-Händler gibt es viele Sites, die sich durch deren Reklame-Banner finanzieren und dafür wohlfeile Ratschläge über den Umgang mit jenem sensiblen Utensil bieten.

“Eselsohren bedeuten für dich das Aus”, steht auf einer davon. Stimmt ja auch: Mit wichtigen Dokumenten muss man sorgsam umgehen. Wer das nicht beherzigt, der wird’s schwer haben in der Arbeitswelt.

Dann aber geht’s weiter: “Sei also vorsichtig, wenn du zurückgeschickte Unterlagen bei der nächsten Bewerbung wieder verwenden willst.” – Heißt das etwa, Unternehmen würden schlampig mit ihnen überlassenen Unterlagen umgehen?

Genau das heißt’s. Der Stellengesuch-Branche würden die Umsätze wegbrechen, wenn die Entscheider in der Wirtschaft so ordentlich wären, wie sie’s von dieser Jugend erwarten. Da ist doch eine Kopfnote fällig, nämlich: Ordnung: ungenügend.

Aber Rechnen, das müssten die in der Wirtschaft doch können! Ihre Web-Seiten sind schließlich voll von x-Kommastellen-genauen Zahlen, der Internet-Auftritt des BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft Telekommunikation und neue Medien e.V.) zum Bespiel.

“Preisexplosion bei Multifunktionsdruckern droht”, rechnet der in einer seiner jüngsten Presse-Erklärungen vor. Denn das BITKOM-Mitglied Hewlett-Packard ist vom Bundesgerichtshof verpflichtet worden für die Jahre 1997 – 2001 Copyright-Gebühren an die VG (Verwertungsgesellschaft) Wort zu entrichten.

Mittlerweile allerdings ist das Geschäftjahr 2008.  Und für das müssen die Drucker-Firmen – laut geändertem Gesetz – die Urheberrechtsabgabe erst aushandeln.

Und was bitteschön ergibt die Anzahl der Käufer von Multifunktionsgeräten multipliziert mit einer unbekannten Größe? – Eben: Genaueres weiß man nicht. Aber man kann ja mal die Sache mit der “Preisexplosion” ins Netz stellen.

Rechennote also:…

Ganz allgemein tun sich die Alten ja ein bisschen schwer mit Zahlen. Jugendliche hingegen müssen von einem auf das nächste Schuljahr schnallen, dass es neben den natürlichen noch negative, rationale und reelle Zahlen gibt.

Erwachsene wiederum bekommen schon Probleme, wenn bloß ihr Zahlen- beziehungsweise Parteien-System von vier auf fünf erhöht wird. Darum ging’s ja, beim politischen Aschermittwoche diese Woche, quasi dem Super-Wednesday der deutschen Politik.

Erwin Huber etwa, der CSU-Vorsitzende, nutzte seine Aschermittwochsrede, um anderthalb Jahrzehnte nach der Auflösung der Sowjetunion noch einmal ausgiebig vor der kommunistischen Gefahr zu warnen. Diesen Langweiler entschuldigte er mit: “Wir müssen den Jungen die Augen öffnen.” Die wären demnach sogar daran schuld, dass einem Politiker nichts Spannendes einfällt.

So gehen die Alten hierzulande mit den Jungen um. Da wär’s doch mal wirklich an der Zeit, dass die so richtig aufmucken. So wie wir früher.

Aber: diese Jugend heutzutage. Die will einfach nicht hören, nicht einmal auf ältere, erfahrene Herrschaften, die schon viel erlebt haben. Man meint’s schließlich nur gut. Aber das interessiert diese Jugend von heute ja nicht.

Silicon-Redaktion

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