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Papier

Und das schafft Nachfrage. – Hört sich vielleicht etwas seltsam an, ist aber so.

Die gedruckte Ausgabe des Brockhaus wird eingestellt. Die Enzyklopädie geht online als frei zugängliche Site. Das war die eine Meldung. Die andere: Das kostenlose Spiegel-Archiv steht seit Dienstag auch im Web.

Grob geschätzt, könnten das an die anderthalb Meter sein, die dadurch im Regal frei werden, dort, wo die Sammelordner mit jenen Fotokopien stehen, die bisher jedem Digitalisierungsversuch getrotzt haben. Jede Menge Artikel aus dem Spiegel und dem Brockhaus sind darunter. Die schafft kein OCR-Programm.

Aber sowas wirft man halt auch nicht weg, weil’s wertvoll ist. An in Schweinsleder gebundenen und goldbeschrifteten Lexikonbänden hängt wohl niemand wirklich. Aber die Seiten, die man immer und immer wieder durchgearbeitet hat, um’s endlich zu kapieren – die sind kostbar.

Auch wenn man die nach vielen Jahren wieder durchliest, erinnert man sich noch, an welcher Stelle es damals gefunkt und was man dabei gelernt hat. Und das Hochgefühl, etwas verstanden zu haben, gehört schließlich zu den beiden schönsten, die’s im Leben gibt.

Deshalb stehen die Ordner im Regal und ziehen Staub an. Allerdings papiersparend ist so ein Papierarchiv. Man findet zwar nichts, aber wenn doch, dann nimmt man einfach die entsprechenden Blätter heraus, liest sie und steckt sie anschließend wieder zurück.

Digital gespeicherte Dokumente hingegen muss man erst einmal ausdrucken. Nein, man muss nicht wirklich. Aber man tut’s. Deswegen braucht, wer ohne Papier auskommen will, besonders viel davon.

Gleich noch’n Paradoxon: Besonders umfangreich ist das Fotokopien-Archiv zum Thema ‘Papierloses Büro’. Dazu nämlich gibt’s keine digitalen Dokumente. Der gesamte Bestand stammt aus der Zeit, als noch gar nichts papierlos ging.

Es sind die gedruckten Visionen von IT-Strategen. Und Visionen lassen sich halt umso detailreicher schildern, je weniger sie mit der Realität zu tun haben.

Was haben diese Visionäre sich damals nicht alles ausgemalt! Zum Schluss sollten organische Displays noch die Botschaft vom papierlosen Büro retten, weil die ähnlich praktisch sind wie die altbewährten Zelluloseblätter.

Mittlerweile gibt es sie zwar. Sony zeigt sie auf der CeBIT. Der Konzern aber hat die Displays, an denen diese großen Hoffnungen hingen, bloß zu so etwas Banalem wie Fernsehgeräten verbauen lassen.

Da werden doch die fotokopierten Visionen von damals zu historischen Dokumenten, die jetzt auch noch, nachdem Spiegel- und Brockhaus-Verlag damit gescheitert sind, ihre Artikel in elektronischer Form zu verkaufen, kostengünstig digital abgespeichert werden können.

Besonders imposant war dabei übrigens das Scheitern der Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus: Der Verlag ersoff geradezu in Papier und Kartonage. Vor zwei Jahren versuchte er vergeblich, seine Enzyklopädie auch als USB-Stick zu verkaufen. Der wurde in einem Hutschachtel großen Schober zusammen mit edel aufgemachten Handbüchern ausgeliefert. – Der Papierverbrauch des ewigen Abschieds vom Papier ist halt immens.

So, das wär’s. Der Wochenrückblick muss diesmal etwas kürzer ausfallen. Der Schreiber hat nämlich keine Zeit mehr. Er muss jetzt downloaden – Spiegel-Artikel.

Interessant, auf was man dabei alles stößt. “Das papierlose Büro ist nämlich längst angesagt”, heißt es da beispielsweise – im Magazinaufmacher vom 17.4.1978.

Das ist doch was für’s Archiv! Das heißt: Eigentlich sollte man sich ja die Freude gönnen und in Ruhe noch einmal lesen, was sich da jemand vor 30 Jahren auf fünf Seiten zusammengereimt hat.

Und wieder wandert der Cursor nach links oben. Das Pull-down-Menü ‘Datei’ öffnet sich. Und zielsicher steuert die Maus den Punkt ‘Drucken’ an.

Silicon-Redaktion

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