Einerseits beabsichtigt Microsoft, unzählige Dokumentationen der Kommunikationsprotokolle zu veröffentlichen. Damit soll es Dritten erleichtert werden, eigene Anwendungen einfacher mit Microsoft-Produkten zu verknüpfen. Externe Entwickler bekommen zum Beispiel ab Juni Zugang zu dem gleichen Programmierungsinterface für Office 2007, das auch die Microsoft-Ingenieure nutzen. “Zunächst helfen wir so zwar unseren Konkurrenten, doch letztendlich wird Microsoft davon profitieren, wenn Drittentwickler Software auf der Basis unserer Produkte entwickeln”, erklärte Microsoft-Chef Steve Ballmer.
“Das ist auch ein strategischer Wandel, wie unsere Ingenieure ihre Aufgabe und ihre Jobs verstehen sollen”, fügte Microsofts oberster Software-Architekt Ray Ozzie hinzu. Denn ihnen müsse klar werden, dass auch die Unternehmensdatenzentren ein Mix von verschiedenen Produkten seien, und dass es den Kunden immer wichtiger werde alle Informationen zu teilen.
Andererseits hat Microsoft versprochen, Open-Source-Programmierern, die nichtkommerzielle Software auf der Basis von Microsofts Protokollen entwickeln, nicht zu verklagen. Kommerzielle Unternehmen müssten aber Microsofts patentierte Technologie lizenzieren. Die Maßnahmen sollen Microsoft helfen, den Auflagen des Europäischen Gerichtshofs gerecht zu werden. Die EU-Kommission antworte in einer ersten Stellungnahme allerdings sehr zurückhaltend auf die Ankündigungen aus Redmond.
Die Kommission betonte, sie würde zwar eine größere Interoperabilität äußerst willkommen heißen, doch Microsoft habe in der Vergangenheit schon öfter ähnliche Versprechen gemacht. Deshalb würde Microsofts Ankündigung die kartellrechtlichen Ermittlungen gegen den das Unternehmen nicht beeinflussen.
“Im Zuge der laufenden Untersuchung bezüglich der Interoperabilität wird die Kommission verifizieren, ob Microsoft den europäischen Kartell-Gesetzen gerecht wird. Außerdem werden wir nun überprüfen, ob die angekündigten Maßnahmen vorhandene Rechtsverletzungen beenden. Und ganz wichtig ist natürlich zu untersuchen, ob die versprochenen Maßnahmen überhaupt wirklich in die Realität umgesetzt werden”, erklärte die Kommission in einem Statement.
In der Vergangenheit hat Microsoft keine guten Erfahrungen mit der Kartellbehörde aus Brüssel gemacht. Erst im Oktober 2007 hatte der europäische Gerichtshof in einem Berufungsverfahren die Rechtmäßigkeit früherer Sanktionen gegen den Konzern – darunter ein Bußgeld von knapp 500 Millionen Euro – ohne Einschränkungen bestätigt.
Die neuste Wettbewerbsbeschwerde in der EU wurde vom norwegischen Browser-Herstellers Opera lanciert. Die Firma hat Microsoft Anfang des Jahres beschuldigt, den Internet Explorer in unzulässiger Weise mit dem Betriebssystem Windows gekoppelt zu haben. Auch der Branchenverband ECIS forderte vor der EU Informationen über Schnittstellen ein, deren Herausgabe von Microsoft bislang verweigert wurden. Das jüngste Statement von Ozzie muss wohl als Reaktion darauf verstanden werden.
Auch die US-Behörden haben den Softwarekonzern auf dem Radar – wenngleich sie ihn weitaus sanfter anfassen als die europäischen Kollegen. Ein US-Bundesgericht hat im Januar wegen Verzögerungen bei der Umsetzung der Kartellauflagen entschieden, dass Microsoft noch weitere zwei Jahre der staatlichen Überwachung untersteht.
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