Die vom Open Forum Europe organisierte Konferenz in Genf mit dem Titel ‘Standards and the Future of the Internet‘, die bis Freitag hinter verschlossenen Türen das Für und Wider abwägen soll, ist eigentlich bedeutungslos. Rund 120 Abgesandte von Standardisierungsgremien aus aller Welt diskutieren bei dem ‘Ballot Resolution Meeting’ (BRM) über die 3522 zuvor eingereichten Änderungswünsche an der mehrere tausend Seiten umfassenden Spezifikation.

Wie Bob Sutor, Vice President of Standards and Open Source bei IBM, im Gespräch mit silicon.de durchblicken ließ, werden die Karten hinterher noch einmal völlig neu gemischt. “Ich kann nur eins sagen: die Delegierten aus 37 Nationen sehen nur noch müde aus. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich noch zu einer gut durchdachten Entscheidung durchringen werden”, sagte er.

Schließlich seien sie schon dreieinhalb Tage miteinander in einem Konferenzraum eingeschlossen. Dort sollen sie mehr als 6000 Seiten der von Microsoft vorgelegten Dokumentation studieren. “Keiner von ihnen hatte eine realistische Chance, diesen Wust an Beschreibungen zu lesen, geschweige denn, sich zu einer Einschätzung dazu durchzuringen”, so Sutor. Doch vielleicht sei genau das das Kalkül des Softwareriesen.

Mit dem Votum aus den einzelnen Arbeitsgruppen müssen die Delegierten nach dem Konferenzende am Freitag wieder zurückfahren und zuhause ihren jeweils nationalen Entscheidungsorganen und Industrien ein “Ja” oder “Nein” empfehlen. Es geht schließlich darum, ob das OOXML-Format zu einem weltweit anerkannten Standard der International Standards Organisation (ISO) wird oder nicht. Bis Ende März sollen alle Entscheidungen vorliegen. Bis dahin, so Sutor, werde Microsoft “viel herumfahren”. Er sagte offen, dass er sich gut vorstellen könne, dass auch das eine oder andere “überzeugende Argument” fallen könnte. Die Frage, ob Microsoft Druck ausüben werde, wollte er nicht beantworten. Doch “starkes Lobbying mit dem ganzen Microsoft-Marktgewicht” – das könne er sich lebhaft vorstellen.

Auf der anderen Seite werben die Mitglieder der ODF-Alliance für ihre Sache. Sutor stellte den Prozess für die ODF-Dokumentation als vollkommen anders dar. “In mehreren Monaten wurde hier in offener, transparenter Diskussion eine gemeinsame Arbeit in ein Format gegossen, das von jedermann in absehbarer Zeit verstanden werden kann und transparent ist”, betonte er den Unterschied zu den komprimierten und schwierigen Verhandlungen in Genf. Auf der ODF-Seite kämpfen Schwergewichte wie EMC, Oracle und IBM, aber kürzlich auch Google um Anerkennung ihres Kompromisses. StarOffice und Lotus nutzen das als ISO-Standard ISO/IEC 26300 anerkannte ODF bereits.

Silicon-Redaktion

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