Burton: IT-Manager stehen einer Revolution gegenüber
Der klassische IT-Manager hat ausgedient. Im Spannungsfeld zwischen IT und Business gilt es laut Chris Howard, Director des Executive Advisory Program (EAP) der Burton Group, die Balance zwischen Innovation und Investition zu halten. Durch neue, aber alltägliche Technologien haben sich die Ansprüche an den CIO grundlegend geändert.
silicon.de: Herr Howard, Sie sind Director des Executive Advisory Program (EAP) der Burton Group. Können Sie unseren Lesern Ihre Aufgabe näher erläutern?
Howard: Die Burton Group hat ja eine lange Tradition bei der Technologieberatung von Enterprise-Unternehmen. Das von mir geleitete Team adressiert insbesondere die Führungsebene, also die CIOs. Diese Leute sitzen an der Schnittstelle zwischen IT und Business und müssen daher sowohl sehr zuverlässig als auch flexibel sein. Das macht unsere Forschung zu etwas anderem, als das was Sie von der Burton Group sonst erwarten können. Unsere Reports sind sehr fachspezifisch: Wir behandeln Themen wie SOA oder Virtualisierung oder Enterprise 2.0 und bereiten sie für die Management-Ebene auf.
silicon.de: Sie sagen, IT-Manager müssen heutzutage sehr zuverlässig und flexible sein – war das denn schon einmal anders?
Howard: Nein, das war natürlich schon immer der Fall. Ich habe diese Frage gerade mit zwei neuen Mitgliedern meines Teams besprochen, Ken Anderson, früherer CIO (Chief Information Officer) bei Novell und zuletzt bei Google als Director IT tätig, sowie Jack Santos, seit 20 Jahren in verschiedenen Organisationen als CIO tätig. Die Rolle des CIOs ist nämlich weit weniger definiert als etwa die des CFO, des Finanzchefs also. Auch der Chief Marketing Officer weiß ganz genau, was seine Aufgabe ist. Aber der Verantwortlichkeitsbereich des CIOs ist weit gefächert: An dem einen Tag muss er der Datenbank-Guru sein, am nächsten der Experte für die Application Infrastructure Architecture. Und er muss jeden Tag auf neue Marktvorgaben reagieren – wie schnell kann sich die Strategie eines Unternehmens ändern, da müssen Sie nur den Wirtschaftsteil der Zeitung lesen. Der CIO untersteht also sowohl äußeren als auch internen Einflüssen – und ist dabei oft noch nicht einmal Herr seines eigenen Budgets. Es ist ein echt harter Job!
silicon.de: Was ist Ihrer Erfahrung nach heutzutage die größte Herausforderung für den CIO?
Howard: Ich denke, die größte Herausforderung für ihn ist es, mit der sich beschleunigenden Technologieentwicklung Schritt zu halten. In ihrem Team haben sie junge Entwickler, die neue Wege beschreiten wollen, aber sie müssen dabei auf eine Infrastruktur zurückgreifen, die wenigstens vier bis fünf Jahre alt ist. Die Balance zwischen Investitionen und Innovationen zu halten ist das eigentlich schwierige. Beispielsweise wollen die Mitarbeiter wie selbstverständlich die mobile Anbindungen quer über alle Unternehmensplattformen hinweg, sie wollen Social Networks auch in der Arbeit nutzen. Dem CIO stehen aber nur die Werkzeuge zur Verfügung, die vor Jahren angeschafft wurden.
silicon.de: Neuerdings bezeichnet man diesen Trend – etwa zum Nutzen von Social Networks oder zum mobilen Zugriff auf Firmendaten als ‘Consumer driven’ – das was die Mitarbeiter zu hause einsetzen, wollen sie auch in der Arbeit nutzen können. Aber war das nicht schon vor fünf oder zehn Jahren so?
Howard: Was sich verändert hat ist das Spektrum an Technologie, das zum Einsatz kommt. Meine Tochter im Teenager-Alter hätte vor fünf Jahren noch nicht die heute für sie selbstverständlichen Technologien verwenden können. Für die Menschen wird der Umgang mit Technik einfach immer selbstverständlicher. Heutzutage betreibe ich wie selbstverständlich Online-Banking und will im Zweifelsfall mit einem Call-Center verbunden werden, dass auf die selben Daten Zugriff hat wie ich. Die dahinter steckende Technik ist aber irre komplex. Aus IT-architektonischer Sicht wachsen die Anforderungen durch die tagtäglichen Erfahrungen der Anwender immens.
silicon.de: Sie wollen wirklich in Indien anrufen, wenn Sie Probleme mit ihrem Homebanking-Zugang haben?
Howard: (lacht) Da hab ich etwas Interessantes gehört: Es gab tatsächlich eine McDonalds-Filiale in Iowa, bei der man im Drive-in seine Bestellung in Indien getätigt hat. Dieser Umweg war offenbar billiger als eine heimische Arbeitskraft einzustellen. Das ist aber ganz typisch für das Vorgehen von Großkonzernen heute. Viele Aufgaben werden einfach ausgelagert. Nehmen Sie das Beispiel der ABN Amro-Bankengruppe: Die bauen keinen einzigen Service mehr selbst. Das ist ein reiner Design-Shop für Financial Services. Ihre Projektteams definieren die Architektur und vergeben dann die Outsourcing-Aufträge dafür. Das ist eine ganz neue Rolle für den IT-Manager.
silicon.de: Das Auslagern von IT fängt ja schon im Kleinen an – Stichwort Software as a Service (SaaS).
Howard: Das Versprechen von SaaS wird nicht gehalten. Es heißt, der CIO muss keine Siebel-Software mehr kaufen, er kann sich das ganze nun on-Demand ins Haus holen. Die Verknüpfung dieser extern gehosteten Software mit internen Vorgängen ist aber sehr schwierig. Gerade hab ich mich mit einem CIO in Philadelphia unterhalten, der das ganze ‘Mess for Less’ nannte. Sie kaufen sich viel Chaos für wenig Geld.
Lesen Sie morgen im zweiten Teil des Interviews mit Chris Howard, wie man die richtigen Fachkräfte gewinnt und was er von den Thesen von Nicholas Carr hält.