Microsoft feiert sich aber als Sieger. Immerhin wurden vier Fünftel der von den Delegierten vorgebrachten Änderungswünsche an dem Tausende Seiten starken Dokumentationswerk, die durchgegangen werden sollten, ohne weiteres übernommen. Brian Jones, Office Product Manager bei Microsoft, nannte die Ergebnisse einen “Konsens”. Und dass es für Microsoft ein Schritt zum Sieg sei, OOXML als Standard durchzusetzen. Teilnehmer der Konferenz sowie das gegnerische Lager aus IBM, Oracle und anderen, sehen dies gar nicht so.
Das kann man so auslegen, dass es keinen Diskussionsbedarf gab. Es gibt aber auch Haltungen, die bei einer Bewertung dieser überschnellen Verfahrensweise etwas ganz anderes in Rechnung stellen. Vier Tage und Nächte lang sollten die Delegierten aus verschiedenen Nationen sich penibelst durch 6000 Seiten arbeiten – was rein menschlich unmöglich sei. Das sagte Bob Sutor, Vice President of Standards and Open Source bei IBM, am Donnerstag vergangener Woche gegenüber silicon.de.
Frank Farance, Leiter der US-Delegation, sieht die Ergebnisse ebenfalls kritisch. Er wird in der US-Fachpresse mit den Worten zitiert, dass eine Akzeptanz der jetzt verabschiedeten Vorlage für die Einreichung als Standard schlecht sei, da sie vor Fehlern strotze. Nur etwa 20 Prozent der mehr als 1000 eingereichten Änderungsvorschläge konnten überhaupt nur abgestimmt werden. Die Bedeutung der Konferenz wird dadurch geschmälert.
Sutor nahm nicht an den Verhandlungen selbst teil, aber als Teilnehmer vorgehender Diskussionen des Open Forum Europe und als solcher hat er detaillierte Insiderinformationen zu den Vorgängen der Konferenz. “Dies ist ein Schnellprozess der für ein solches Dokument gar nicht angewendet hätte werden sollen”, sagte er bereits im Vorfeld der jetzt bekannten Entscheidungen. Für die nationalen Entscheidungsgremien würde sich ihm zufolge die Frage stellen, ob “das hier wirklich das Beste ist, was herauskommen konnte”.
Außerdem gebe es keinerlei Beweise, keine Labortests und keinerlei Prüfung für die technische Seite des Formatvorschlags. Alle Länder, die im September den Vorschlag ablehnten, haben jetzt die Gelegenheit, sich noch einmal die Entscheidung neu zu überlegen. Zwei Drittel von ihnen müssen mit Ja wählen, es kann nicht mehr als 25 Prozent Nein-Stimmen absolut geben. Standard-Anwälte aus Boston warnten bereits davor, dieses extrem unfertige Dokument abzusegnen und dadurch eine endlose Kette von Nacharbeiten auszulösen. Die nächste Entscheidung steht für Ende März an.
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