Cyber-Plattform ermöglicht Spaziergang durch Pompeji
Wissenschaftler haben im Rahmen des EU-Projekts Cyberwalk ein System entwickelt, mit dem sich Nutzer auf ganz alltägliche Weise durch virtuelle Welten bewegen können. Dazu gehen sie einfach auf der Laufplattform ‘Cybercarpet’.
Damit Nutzer trotz der Bewegungsfreiheit nicht von der Plattform stürzen, kommt ein Tracking-System mit mehreren Kameras zum Einsatz. Zunächst ist es möglich, ein virtuelles Abbild des antiken Pompeji zu erkunden. Das unter Leitung von Marcus Ernst vom Max-Planck-Institut (MPI) für biologische Kybernetik Tübingen entwickelte System wird am heutigen Donnerstag, anlässlich eines Workshops, erstmals vorgestellt.
Der Cybercarpet ist im Prinzip ein großes Laufband, auf dem quer zu dessen Laufrichtung kleinere Laufbänder aufgebracht sind. Dadurch ergibt sich eine omnidirektionale Plattform, auf der Nutzer ungehindert in jede Richtung laufen können. Die Größe der Lauffläche von vier mal vier Metern ist eine absolute Notwendigkeit. “Damit der Mensch Kräfte auf den Boden übertragen kann, muss er sich ein oder zwei Schritte bewegen können”, erklärt Ernst. Wäre der aktive Bereich der Plattform noch kleiner, müssten Bewegungen immer sofort ausgeglichen werden, das Gefühl wäre dann wie Laufen auf Eis, so Ernst.
Auf der Plattform bewegen sich Nutzer durch die virtuelle Welt, die im VR-Darstellungssystem, einem Head Mounted Display, zu sehen ist. Damit Anwender dabei nicht unbeabsichtigt den Laufbereich der Plattform verlassen, steuert ein Kontrollalgorithmus die Bänder nach dem Verhalten der Person. Sie wird von einem Tracking-System aus mehreren Kameras beobachtet, dass zusätzliche Information an den Kontrollalgorithmus liefert. Die Kameras dienen gleichzeitig einem zweiten Zweck. Ein Analyseprogramm wertet Gesten und Körperhaltung aus, um eine Interaktion mit virtuellen Gegenständen wie beispielsweise ein Betätigen virtueller Türklinken zu ermöglich.
Derzeit erlaubt das System ein Erkunden der antiken Stadt Pompeji vor dem Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 vor Christus. Sie wurde mithilfe von Archäologen, Zeichnungen und Fotos virtuell rekonstruiert. Das ist aber nur ein Beispiel. Die Software von Forschern der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ), mit der die virtuelle Stadt erstellt wurde, könnte aber auch zur Visualisierung anderer Umgebungen genutzt werden. Ein möglicher Einsatzbereich wären etwa virtuelle Begehungen von geplanten Bauten. Dies käme Personen entgegen, die nicht tagtäglich mit Plänen zu tun haben, meint Ernst. Andere denkbare Anwendungen umfassen beispielsweise die medizinische Rehabilitation, die Ausbildung unter anderem im militärischen Bereich oder auch Sport und Fitness.
An der Entwicklung des Cybercarpet waren neben Forschern des MPI für biologische Kybernetik und der ETHZ auch Wissenschaftler des Technischen Universität München und der Universität Rom beteiligt. Ein breiteres Publikum bekommt voraussichtlich im Oktober anlässlich eines Tags der offenen Tür erstmals die Chance, das System live zu sehen.