Eine Gespenstergeschichte

Mit Headlines ist’s wie mit Schlagern: Je blöder sie sind, desto schwerer gehen sie einem aus dem Kopf. “Lafontaine jetzt mit totalem Links-Knall” stand diese Woche in der Bildzeitung.

Und nach der Telekom soll jetzt die Bahn privatisiert werden. SPD und CDU haben sich wohl geeinigt. Beide versichern wieder, die Privatisierung werde den Bürgern nur nutzen.

“Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.” (Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, MEW 8, S. 115).

Aber es gäbe auch einiges, worüber sich das alte Gespenst freuen würde: Für Linux und Wikipedia arbeiten Tausende nicht gegen Lohn, sondern grad so, als sei “die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden” (Kritik des Gothaer Programms, MEW Bd. 19, S. 21).

Diese Menschen bedingen sich kein Copyright aus. Sie sind gegen Software-Patente und leben damit schon ein bisschen in einer Zukunft, wie sie sich das Gespenst vorgestellt hatte: “Dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!” (ibid.).

Selbstverständlich hat das Schreckgespenst auch überhaupt keine Ahnung von der verantwortungsvollen Aufgabe eines IT-Journalisten heutzutage. Das ist ja ein schweres Geschäft. Ständig muss man bei den Busswords auf dem Laufenden bleiben.

Früher etwa hieß es schlicht Auslagerung der EDV, dann Outsourcing, ASV (Application Service Providing) und SaaS (Software as a Service), heute schließlich Cloud-Computing. – “Die verschiedene Phraseologie lässt die Aufgabe ebenso unverändert, wie es ihre Übersetzung aus der deutschen in die englische Sprache tun würde.” (Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW Bd. 13, S. 156).

Man ahnt ja, was das Schreckgespenst vom Insider-Slang in der IT halten würde. – “Als nach jahrtausendelangem Ringen die Differenzierung der Hand vom Fuß, der aufrechte Gang, endlich festgestellt, da war der Mensch vom Affen geschieden, da war der Grund gelegt zur Entwicklung der artikulierten Sprache und zu der gewaltigen Ausbildung des Gehirns, die seitdem die Kluft zwischen Menschen und Affen unübersteiglich gemacht hat.” (Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 322).

Na ja, so kompliziert hat es sich schon zu Lebzeiten ausgedrückt. Ein anderer hätte vielleicht einfach gesagt, dass er die Busswords affig findet.