Seit am 1. Juni 2007 ein zwischen dem Bundesministerium des Inneren (BMI) und Microsoft für 36 Monate beschlossener “Select-Vertrag” in Kraft ist, nimmt die “freihändige” Vergabe von Softwareaufträgen ohne Ausschreibungen an Microsoft und dessen Geschäftspartner zu. Es mehren sich bei der Open-Source-Organisation Berichte von Mitgliedern, die sich benachteiligt fühlen, aber nicht gegen potenzielle Kunden vorgehen möchten, sowie Anfragen von IT-Verantwortlichen aus der öffentlichen Verwaltung, die über die Vergabepraxis verunsichert sind.

Daraufhin hat der Linux-Verband (LIVE) ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Der Rechtsanwalt Thomas Feil, Fachanwalt für IT-Recht aus Hannover, analysiert darin rechtliche Grundlagen und einschlägige Gerichtsurteile zur Vergabe von IT-Aufträgen durch die öffentliche Verwaltung sowie den BMI-Microsoft-Vertrag. Er kommt zu dem Schluss: “Dieser Vertrag setzt keine vergaberechtlichen Vorschriften außer Kraft. Mit einem Verweis auf den BMI-Select-Vertrag kann nicht die Ausschreibungspflicht, sei sie national oder EU-weit, umgangen werden.”

Diese Auffassung vertritt im Übrigen auch das BMI selbst in einem ergänzenden Merkblatt zum Select-Vertrag. Zu dem Abkommen können Institutionen der öffentlichen Verwaltung von Bundes- bis zur kommunale Ebene beitreten, wodurch ihnen besonders günstige Konditionen für die Beschaffung von Microsoft-Produkten, auch über akkreditierte Handelspartner, eingeräumt werden. Allerdings sind in jedem Fall Ausschreibungen erforderlich. Diese dürfen keine diskriminierenden Einschränkungen enthalten. Auch dem Verweis auf “Kompatibilitätsprobleme” haben Gerichte sehr enge Grenzen gesetzt.

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Silicon-Redaktion

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  • Warum denn...?!
    Da sollte sich die werte Linux-Gemeinschaft mal fragen, warum dass denn so ist!

    Auch öffentliche Einrichtungen sind dazu angehalten, wirtschaftlich zu arbeiten. Nur durch Einsparungen bei den Lizenzkosten ist es dabei aber nicht getan. Hinzu kommen erhöhte Dienstleistungs- und Schulungskosten sowie fehlendes KnowHow.

    Ist doch klar, dass größtenteils MS bevorzugt wird!

  • warum fehlt denn Know-How?
    rd hat wohl teilweise recht ... man lernt wohl heutzutage in der Schule (also auch mit den Steuergeldern von Linux-Firmen finanziert) vorwiegend den Umgang mit der M$-Software
    ... und anschliessend heisst es dann bei vielen Entscheidungsträgern in einer kleinen Verwaltung "was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht" - und die Mitarbeiter tun sich schwer, wenn irgendwo "Start" steht und daneben so ein Pinguin-Logo ist

  • Kompatiblität trifft auf Politik der leeren Kassen
    Hallo Herr Hamann,

    ich denke es ist nicht ganz so einfach, wie Sie denken. Der Bauer würde liebend gerne Linux fressen, doch ist das noch ein langer Weg dorthin. Neben dem erheblichen Schulungsaufwand, den man Betreiben müsste kommen auch noch die Faktoren Kompatibilität und versteckte Kosten hinzu.

    Sie dürfen nicht vergessen, dass in öffentlichen Verwaltungen Fachverfahren eingesetzt werden, die ausschließlich auf Microsoft Produkten basieren oder funktionieren. Die Entwicklung von Linuxversionen + Anpassung Vorlagen etc, stellt grade kleine Verwaltungen vor unlösbare Aufgaben, denn schon heute sind viele grade kleine Verwaltungen Personell nicht mehr so breit besetzt wie es das Klischee besagt und dementsprechend auch nicht mehr in der Lage größere Anpassungen alleine Vorzunehmen. Hier müsste von extern Dienstleistung in Anspruch genommen werden, doch auch hier gibt es Probleme, denn in den Verwaltungen (grade bei den Kleinen) Herrscht die Politik der leeren Kassen.
    Ohne das notwendige Kleingeld wird hier wenig Bewegung reinkommen. Investitionen werden nur kurzfristig bedacht, da langfristige Faktoren meistens die kleinen Budgets überschreiten.

    Zum Thema Schulung muss man der Realität ins Auge sehen. Wenn eine Abteilung mit 8 Leuten einen Fortbildungsetat von nicht mal 1000€ hat, wie wollen Sie denn da eine Linuxschulung finanzieren, bei der Sie bei "Adam und Eva" anfangen müssen?
    Bei den Schulen würde ich den schwarzen Peter nicht sehen, die sehen was der Markt an Voraussetzung stellt, das sind MS Office und MS Windows. Da diese Anwedungen/Betriebssysteme auch noch viel in Unternehmen eingesetzt werden.

    Man darf in diesem Bereich einfach keine großen Sprünge erwarten, viele Fachverfahren werden sich in den nächsten Jahren an Linux anpassen und damit hat Linux in Verwaltungen eine gute Chance, grade bei steigenden Preisen für MS Produkte.

    Linux ist ein System, das meiner Meinung nach unheimlich viel Potential und Flexibilität in sich birgt. Ich denke, dass wir in den nächsten Jahren einen Umstieg auf Linux erleben werden und damit werden auch solche Stimmen verstummen.

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