Henry T. Nicholas III – Dotcom-Wunder im Drogenrausch
Der tiefe Fall des Broadcom-Gründers wirft wieder einmal die Frage auf, wie blind und taub eine Management-Etage sein kann – oder will. Im Gerichtsverfahren wird an diesem Montag (16.06) die Anklageschrift verlesen. Es geht es nicht nur um den Milliardenverlust für eine Firma, es offenbart vor allem auch eine menschliche Tragödie.
“Mir kam es immer so vor, als würden sich die Dinge zu langsam bewegen. Heutzutage würde man über ein Kind, wie ich es war, sagen, es hat ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung) – aber damals nannten sie es nicht so. Ich bin auch Legastheniker, aber sie haben auch das nicht sofort erkannt. Ich war sechs Monate in einer Klasse für geistig behinderte Kinder und es waren die glücklichsten Tage meines Lebens. Ich habe Schokoriegel dafür gekriegt, dass ich keinen Ärger gemacht habe!”
Diese Kindheitserinnerungen stammen aus einem Interview, das Henry Nicholas 2004 dem Wochenblatt Orange County Weekly gegeben hat. Die besonders hässlichen Dinge hat er dabei ausgelassen. Noch bevor er das Grundschulalter erreicht hatte, trennte sich seine Mutter von ihrem alkoholkranken Mann und floh mit den beiden Kindern nach Kalifornien. 1983 wurde Nicholas Schwester brutal ermordet.
Seit dieser Zeit hat sich der Broadcom-Gründer umfassend für Verbrechensopfer eingesetzt und wurde vielfach für sein Engagement ausgezeichnet. 2005 erhielt er den renommierten ‘Ronald Reagan Award for Pioneering Achievement in Criminal Justice’. Der wohltätige Philanthrop – auch das war eine seiner Seiten.
1991 hatte er mit seinem Freund Henry Samueli Broadcom gegründet, 1998 ging das Unternehmen an die Börse, zwei Jahre später überschritt der Umsatz erstmals eine Milliarde Dollar. Orange County wurde auch durch ihn einer der prominentesten Technologie-Standorte der USA. “Henry Nicholas, Superheld” titelte Orange County Weekly 2004.