Henry T. Nicholas III – Dotcom-Wunder im Drogenrausch
Der tiefe Fall des Broadcom-Gründers wirft wieder einmal die Frage auf, wie blind und taub eine Management-Etage sein kann – oder will. Im Gerichtsverfahren wird an diesem Montag (16.06) die Anklageschrift verlesen. Es geht es nicht nur um den Milliardenverlust für eine Firma, es offenbart vor allem auch eine menschliche Tragödie.
Bilanztechnische Finessen, die den Konzern am Ende 2,2 Milliarden Dollar kosten – und keiner hat es gemerkt. Das kennen wir schon. Aber ein Topmanager, der laut Anklage auch Geschäftsfreunde mit Drogen und Frauen bewirtet hat, im Privatjet Marihuana raucht, bis dem Piloten im wahrsten Sinne des Wortes der Sauerstoff ausgeht, und Geschäftspartner und Kunden Ecstasy in den Drink rührt, um sie gefügig zu machen – das kann nicht übersehen worden sein. Wurde es auch nicht, wie angebliche Schweigegeldzahlungen und Morddrohungen zeigen.
“Je höher ein Manager steigt, desto größer wird die Gefahr abzudriften. Er sammelt immer mehr Erfolg und Einfluss, irgendwann wagt es im Unternehmen niemand mehr, ihn zu kritisieren”, so die Erklärung der Bochumer Psychologin Dr. Annelen Collatz. “Das Korrektiv fehlt. Dann kommt es auf die Persönlichkeitsstruktur des Einzelnen an, wie ihn der Job verändert. Manche verlieren die Bodenhaftung. Sie schreiben alle Erfolge sich selbst zu, sehen die Ursachen für Probleme ausschließlich bei anderen und benutzen Menschen für ihre Zwecke.”
Henry Nicholas ist derzeit auf Entziehungskur im berühmten Betty Ford Center in Kalifornien. In dem Verfahren gegen ihn wird derweil an diesem Montag die Anklageschrift verlesen. Sollte Nicholas am Ende in allen Punkten schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu 360 Jahre Haft.