silicon.de: Beim semantischen Web geht es darum, die Objekte einer Webseite mit zusätzlichen Daten zur Bedeutung der Objekte anzureichern, um konsistente Informationen zu erzeugen. Wie weit ist dieser Prozess fortgeschritten?
Wahlster: Dieser Prozess steckt noch in den Kinderschuhen. Zunächst wurden Markierungssprachen entwickelt, mit denen die semantische Annotation überhaupt erst durchführbar wurde. Diese hat man dann standardisiert. Jetzt gibt es mit der OWL (Web Ontology Language) die erste Standardisierung des W3C. Es sind auch Alternativmodelle sowie erste standardisierte Begriffssysteme verfügbar.
silicon.de: Kann man sagen, wie viel Prozent der Webseiten derzeit semantisch annotiert sind?
Wahlster: Ehrlicherweise muss man sagen, dass heute nur etwa ein bis zwei Prozent der Webseiten semantisch annotiert sind. Das sind zum Teil sehr wichtige Seiten, auch viele Intranet-Seiten. Die semantische Annotation wird sich in den nächsten Jahren noch entwickeln.
Ich bin auch der Überzeugung, dass sie nur funktionieren wird, wenn viele Anwender à la Web 2.0 mitmachen und bereit sind, pro Webseite vielleicht zehn Minuten mehr Arbeit zu investieren.
silicon.de: Gibt es Pionier-Unternehmen, die Sie in Sachen semantisches Web hervorheben würden?
Wahlster: Gerade deutsche Unternehmen sind in diesem Bereich in Europa führend. Sie bieten Lösungen für das semantische Web an und wenden diese selbst an. Auf der Herstellerseite sind das zum Beispiel Firmen wie Empolis, Living-e oder Ontoprise.
Es gibt auch Unternehmen, die semantische Technologien verstärkt in den eigenen Abteilungen nutzen. Ich denke zum Beispiel an SAP. Henning Kagermann hat kürzlich gesagt, dass er sich die Semantik nicht diktieren lassen will, sondern eine eigene Business-Semantik entwickeln will. Daran arbeitet jetzt SAP Research. Siemens setzt die semantische Annotation im Bereich der medizintechnischen Systeme ein.
silicon.de: Vielleicht würde die semantische Annotation Fortschritte machen, wenn Unternehmen wie Microsoft oder Adobe entsprechende Tools anbieten würden?
Wahlster: Microsoft forscht seit längerem auf diesem Gebiet. Diese Forschungen sind bislang aber nicht in ein Produkt wie Office eingeflossen. Bei Adobe ist das anders, dort werden semantische Techniken bereits in Produkte integriert. In Adobes PDF kann man Metadeskriptoren für Dokumente vergeben.
silicon.de: Ist die Open-Source-Bewegung in die Entwicklung des semantischen Web eingebunden?
Wahlster: Auf jeden Fall. So etwa bei Theseus – dem Leuchtturm-Projekt in Deutschland, in dem eine allgemeine Wissensinfrastruktur entwickelt wird. Dort wollen wir einen großen Teil der Lösungen als Open Source zur Verfügung stellen.
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