Wenn E-Mails den Atem rauben
Was genau machen Sie eigentlich, wenn Sie in der Arbeit sind? Ihre Arbeit, daran wollen wir nicht zweifeln. Doch je mehr Tools es gibt, die uns dabei helfen sollen, desto mehr Zeit verschwenden wir mit Aufgaben, die eigentlich nichts mit unserem Arbeitsalltag zu tun haben.
Instant Messenger ist so ein Beispiel. Ging man früher noch ins Nachbarbüro, um eine kurze Frage zu klären, wird heute gechattet. Manchmal kann das das eigene Vorankommen wirklich beschleunigen, schließlich muss man den Arbeitsplatz nicht verlassen und bleibt damit auch gedanklich näher am Problem. Manchmal aber wird der Chat zum Fluch, führt zu einem Gewirr an Fragen und Gegenfragen, die zeitlich versetzt aufploppen, einem einzigen Missverständnis und am Ende geht man doch schnell rüber zum Kollegen.
Solche und ähnliche Zwischenfälle sind mehr als nur eine unvermeidliche Nebenwirkung unserer modernen Kommunikation. Sie können inzwischen die Produktivität eines Unternehmens ernsthaft bedrohen. Mehrere IT-Firmen – darunter Microsoft, IBM, Intel und Google – haben deshalb kürzlich gemeinsam mit Morgan Stanley und den Universitäten Stanford, Haifa und Kalifornien eine gemeinnützige Organisation gebildet.
Die Information Overload Research Group (IORG) hat sich zum Ziel gesetzt die “größte Herausforderung für Produktivität” zu untersuchen und praktikable Lösungsansätze auszuarbeiten, wie der täglichen Informationsflut begegnet und sie möglicherweise auch reduziert werden kann. Die erste Konferenz der Vereinigung soll am 15. Juli in New York stattfinden.
Im Vorfeld hat das IORG-Mitglied Rescue Time, spezialisiert auf die Erforschung des Gebrauchs von Computern, 40.000 Personen zu ihren Bürogewohnheiten befragt. Demnach wendet sich der typische Computerarbeiter pro Tag mehr als 50-mal seinem E-Mail-Programm zu und nutzt zudem 77-mal Kurznachrichten. Zusätzlich surft ein Angestellter laut RescueTime auch 40 Websites pro Tag an.
Die Beratungsfirma Basex, beziffert den durch derartige Ablenkungen entstandenen Produktivitätsverlust allein für die USA mit 650 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Im Silicon Valley gibt es bereits eine eigene Bezeichnungen für das Problem: “E-Mail Bankruptcy” bezeichnet etwa den Umstand, dass sich so viele E-Mails im Posteingang befinden, dass der einzige Weg aus der Misere ist, alle E-Mails zu löschen und frisch von vorne zu beginnen.
Die Autorin Linda Stone hat gar den Begriff ‘E-Mail-Apnoe’ geprägt: Angesichts des Umfangs der neuen Nachrichten in ihrer Inbox halten viele Leute unbewusst zuerst einmal ihren Atem an.