“Dresden wird die Hightech-Hauptstadt”
Der Branchenverband Bitkom hat Dresden im Juni zur “heimlichen Hightech-Hauptstadt Deutschlands” ausgerufen. silicon.de sprach darüber mit Gitta Haupold, Leiterin der Geschäftsstelle des Netzwerks Silicon Saxony.
silicon.de: Dresden ist jetzt der führende Mikroelektronikstandort in Europa. Gibt es nationale und internationale Entwicklungen, die diesen Status gefährden könnten?
Gitta Haupold: Mittlerweile ist es in der Halbleiterindustrie keine Frage mehr, welche Region innerhalb Deutschlands unterstützt werden sollte, auch nicht, welches Cluster in Europa erfolgreich ist. Es geht vielmehr um einen globalen Wettbewerb – und der Standort Europa ist in Gefahr, gegen die subventionierte Ansiedlungspolitik der asiatischen Länder zu verlieren.
Wichtig ist die Unterstützung von Forschung und Entwicklung, um den technologischen Fortschritt in Europa zu sichern. Aber gerade in der Halbleiterindustrie ist technologischer Fortschritt unmittelbar an Produktentwicklung und Produktion und umgekehrt gebunden. Das heißt, wenn die Produktion nach Asien ausgelagert wird, wie das derzeit der Trend ist, wird die Forschung und Entwicklung in kurzer Zeit folgen.
silicon.de: Was kann man dagegen tun?
Gitta Haupold: Die Unternehmen werden im Wesentlichen nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden. Viele Studien belegen aber, dass nicht die in Asien niedrigeren Lohnkosten den Ausschlag für Produktionsverlagerungen geben, sondern die erheblich höheren Ansiedlungssubventionen, Steuerersparnisse, niedrigere Energiepreise und ähnliches. So ist vor allem die europäische Politik gefragt, die deutsche und europäische Standorte durch Obergrenzen für Subventionen eindeutig in Nachteil bringt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Dennoch gibt es immer noch Boni für uns hier in Sachsen, die zum Glück unabhängig von diesem Subventionswettlauf sind. Dazu zählen vor allem die Innovationsbereitschaft, die Zuverlässigkeit, die hervorragende Ausbildung und die ausgesprochene Loyalität der Sachsen zu Arbeit und Arbeitgeber. Und wir verfügen bereits über die kritische Masse an Firmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen, die es ermöglichen, die Vorteile eines regionalen Clusters zum Tragen zu bringen.
silicon.de: Hat die Region auch Nachholebedarf? Welche technologischen Kompetenzen könnten ausgebaut werden?
Gitta Haupold: Da gibt es sicher noch einiges. Für uns als Cluster der Halbleiterindustrie sind es vor allem die Anwender, die wir uns noch am Standort wünschen würden, das heißt Computer-Hersteller oder Mobiltelefonhersteller und ähnliche Firmen. Auch die Ansiedlung weiterer Leuchttürme würde die Region noch mehr beleben. Nachholebedarf gibt es auch in der Vermarktung der Region als Hightech-Standort. Technologische Kompetenzen – da fällt mir so spontan nichts ein. Ich glaube, da sind wir zumindest in unserer Branche ziemlich weit vorn.
silicon.de: Hängt die Region nicht zu stark von Leuchturm-Unternehmen wie AMD,
Infineon und Qimonda ab? Qimonda hatte im Mai angekündigt, 600 von 3900 Stellen in Dresden zu streichen…
Gitta Haupold: Das ist in der Tat eine Gefahr, die wir nicht unterschätzen wollen. Wir wollen wir im Verbund mit regionalen Politikern und Wissenschaftlern alles dafür tun, diese Unternehmen am Standort zu halten. Und die Chancen dafür stehen gut.
Andererseits gibt es noch weitere Entwicklungen, die uns absolut zuversichtlich in die Zukunft blicken lassen. Viele kleine und mittelständische Unternehmen, die bisher ausschließlich oder überwiegend für die großen Halbleiterproduzenten gearbeitet haben, sind nunmehr mit neuen Geschäftsfeldern in der Photovoltaik-Industrie unterwegs.
Auch die sogenannten ‘Anwenderspezifischen Schaltkreise’, wie sie momentan von Infineon und Xfab gefertigt werden, bieten neue Geschäftstätigkeiten. Neue Technologien, wie die organischen Leuchtdioden, elektronisches Papier und andere sind ebenso auf dem Vormarsch und bieten sowohl den Firmen als auch vielen Arbeitskräften neue Herausforderungen. Dadurch gibt es hier trotz Stellenabbau, der überwiegend Arbeitskräfte von Zeitarbeitsfirmen betrifft, nach wie vor einen Wettbewerb um die besten Köpfe.