Die dann folgenden Worte gehören zum engsten persönlichen Bereich und daher nicht in eine so seriöse Kolumne wie die vorliegende. Sind sie aber authentisch und werden mit Bedacht gewählt, dann besteht die verlockende Aussicht, dass der Abend nicht ergebnisoffen endet.
Wenig zielführend ist es hingegen, wenn ein Schwabe, der sich nach eigener Einschätzung in den besten Jahren befindet, in derselben Absicht an ein Mädle die rhetorisch gemeinte Frage richtet: “Darf ich dir einmal etwas sagen?” (hochdeutsch).
Denn die Mädle im Lendle sin net bled, mögen es von daher überhaupt nicht, dafür gehalten zu werden, und merken es gleich, wenn einer auf altklug und wichtig macht. Allzu schwierig ist das darüber hinaus auch gar nicht. Denn wichtigtuerische Schwaben erkennt man leicht daran, dass sie versuchen, vermeintlich Inhaltsschweres auf Hochdeutsch zu formulieren. Das wirkt dann immer besonders drollig.
Dem Rest der Republik allerdings steht das versuchte Hochdeutsch als eigene Sprache für Bedeutsames nicht zur Verfügung. – Viele schwätzet do immer so. – Wer sich aufplustern will, weicht dort deshalb auf eigenwillige Komposita aus wie eben “ergebnisoffen” oder “zielführend”.
Schön an diesen Wortgebilden ist eigentlich nur, dass man gleich merkt, dass damit gelogen wird. Ergebnisoffen etwa wurde in letzter Zeit vor allem über den Einstieg der Deutschen bei der Postbank und über die Bildung einer links-tolerierten Landesregierung in Hessen verhandelt. Woraus sich unschwer schließen lässt: Ergebnisoffen diskutiert nur, wer genau weiß, welches Ergebnis bei der Diskussion herauskommt.
Erfunden haben die verkaufsfördernde Komposita-Bildung wohl die Veranstalter von Kaffeefahrten. Die versprachen im letzten Jahrhundert in ihren Postwurfsendungen neben der Teilnahme an einer interessanten Informationsveranstaltung und einem schmackhaften Mittagessen stets auch ein “hochwertiges” Geschenk.
Heute hingegen werben mit diesem Wortkonstrukt auch IT-Unternehmen, Sun für Büroprogramme, Microsoft für Peripheriegeräte und HP für Drucker. Das erschüttert einen schon, fragt man sich doch, ob die keine Datenblätter mehr haben.
Ein anderes Indiz für eine fortgeschrittene Bedeutungsschwangerschaft ist: “zeitnah”. Viele schöne Wörter kennt das gute Deutsch, die sehr differenziert ausdrücken, was damit gesagt werden soll: bald (schwäbisch: ball), gleich (schwäbisch: glei) oder sofort (schwäbisch: awwer glei). Ein dynamischer Manager oder jemand, der sich dafür hält, wird ihnen jedoch immer “zeitnah” vorziehen.
Ein Schlaglicht auf die Managersprache wirft das. Denn halbwegs einen Sinn bekommt der Begriff nur durch die Existenz des Bürokraten-Worts “ortsnah” (deutsch: nah). Man kann sich also das Business-Deutsch als Beamtensprache in einer anderen Dimension vorstellen.
Sehr viel ist in letzter Zeit auch von “Leistungsgerechtigkeit” die Rede. Dieses Wort und seine Abwandlungen werden vorwiegend von Leuten verwandt, die es nicht so sehr mit dem gepflegten Deutsch haben, also von Sportjournalisten – bei einem Unentschieden – und von Politikern – bei jeder unpassenden Gelegenheit.
“2008 muss das Jahr der Leistungsgerechtigkeit werden”, rief etwa Guido Westerwelle heuer beim Dreikönigstreffen seiner Partei. Inhaltlich erschließt sich einem dieser Begriff am einfachsten, wenn man an das Gegenteil von bloßer Gerechtigkeit denkt.
Als beispielsweise heuer im Frühjahr die Lokführer die Bahn lahm legten, um schließlich eine Lohnerhöhung von 10 Prozent zu erstreiken, da empörten sich viele. Und nur sehr besonnene Zeitgenossen räumen im Nachhinein ein, dass die 200 Euro mehr, die das brutto ausmacht, schon auch gerecht sein mögen.
Als hingegen vergangenen Monat den niedergelassenen Ärzten ohne viel Aufhebens ebenso viele Prozentpunkte zugebilligt wurden, da war es mehr als das. Als “leistungsgerecht” lässt Ulla Schmid auf der Site ihres Ministeriums ihren Amtsvorgänger Horst Seehofer die Honorarerhöhung loben.
Allerdings ist das Arzthonorar erheblich höher als der Lokomotivführerlohn. Und deshalb steigen die Beiträge zur Krankenversicherung. Das ist halt der Nachteil eines solch exquisiten Gerechtigkeitsbegriffs.
Dass viele sprachliche Neuschöpfungen so befremdlich klingen, mag auch daran liegen, dass einige Menschen doch sehr an der Logik hängen. “Neuanfang” etwa ist, formal gesehen, eine Tautologie. Ein Anfang ist immer neu.
Politisch hingegen – also nicht logisch – bezeichnet “Neuanfang” den Status einer Partei, die den Zustand der “Geschlossenheit” schon überwunden hat. So betont die Nach-Stoiber-CSU in Bayern und die SPD in ganz Deutschland ihre “Geschlossenheit”.
Weiter hat es wiederum die Berliner CDU gebracht. “Die Partei will einen Neuanfang”, titelte zum Wochenende die örtliche Morgenpost. Und mehr noch: Für die dortige CDU ist nicht einmal der “Neuanfang” neu. Die macht so etwas alle paar Jahre.
Auch an Hochschulen lässt man sich inzwischen von der Logik nicht mehr die Freude an imposanten Wortschöpfungen vermiesen. So findet derzeit in Wien die S&TI (International Conference on Science and Technology Indicators) statt. Laut Pressemitteilung geht es dabei um “die Identifikation von Forschungsgebieten mit hohem Zukunftspotential”.
Vielleicht wird derartiges heute ja wirklich nicht mehr gelehrt. Aber früher konnte man an der Uni noch lernen, dass ein Potential etwas ist, das seine Wirkung später entfaltet, dass es also qua Definition die Zukunft betrifft.
Ach ja. Es wäre schon schön, wenn man dieses verbale Imponiergehabe etwas eindämmen könnte. Dazu müsste man aber schon auch die passenden Worte finden. Stilbildend könnte da sein, womit schwäbische Mädle Typen abblitzen lassen, die sie schräg anreden: “Oh, Kerle, schwätz doch net rum.”
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