Quelltexte

Wieder so eine Woche, wo’s einem eigentlich die Sprache verschlagen müsste. Bloß gut, dass wir da unseren Mann in Rom haben, Joseph mit Vornamen, seit einiger Zeit auch Benedikt genannt.

Einem gelernten Pfarrer fällt immer was ein. “Wir sehen jetzt durch den Zusammenbruch der großen Banken, dass Geld einfach verschwindet, dass es nichts bedeutet”, hat er am Montag zur Eröffnung der Bischofssynode erklärt. Bestand habe nur das Wort Gottes, “welches bleibt in Ewigkeit”. – Sätze, die zum Nachdenken anregen wollen, wie man in solchen Fällen so schön sagt.

Worüber? Na, beispielsweise darüber, was in der Heiligen Schrift über die Informationsgesellschaft steht. Denn bei der liegt ja einiges im Argen. Das, wonach sie benannt ist, Information, ist entweder nicht vorhanden, da, wo es nicht hingehört, oder falsch.

Gelegenheit dazu gab’s diese Woche ausreichend. Denn Benedikt lässt gerade die gesamte Bibel von Prominenten verlesen.

Dienstag früh müsste es gewesen sein, als das fromme Spektakel dann bei jener Stelle angelangt war, die René Obermann zum Trost gereichen könnte. Dem Mann, der zugeben musste, dass ihm ein paar Millionen Kundendaten abhanden gekommen sind. Die dürften jetzt bei anderen sein, die’s sicherlich ebenfalls nicht so genau nehmen mit dem Datenschutz.

In Psalm 22, Vers 23 heißt es dazu: “Ich will verkündigen deinen Namen meinen Brüdern.” Das hätte doch auch die Telekom zu einem Kunden sagen können, mit dem einzigen Unterschied, dass sie auch gleich dessen Adresse und Handy-Nummer offenbart.

Mag der Kunde doch mit dem Evangelisten Lukas, Kap. 12, Vers 2, klagen: “Es ist aber nichts verborgen, das nicht offenbar werde, noch heimlich, das man nicht wissen werde.”

Als Falschinformation wiederum erwies sich, was Unbekannte zum Wochenende über den Gesundheitszustand des Apple-Chefs im Internet verbreiteten. Wie das Protokoll einer Aufsichtsratssitzung dieses Unternehmens von vor zehn Jahren liest sich die Apostelgeschichte im Kap. 6, Vers 5: “Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens” und der Visionen.

Apple ist schließlich eine ganz besondere Firma. Denn bei ihr steht der Mensch wirklich im Mittelpunkt. Und dieser Mensch heißt Steve Jobs. Von Unbekannten gestreute Spekulationen, er habe nicht nur ein hartes, sondern auch ein krankes Herz, ließen denn auch den Kurs der Apple-Aktie zu Wochenbeginn einbrechen: “Der Abgrund und der Tod sprechen: ‘Wir haben mit unsern Ohren ihr Gerücht gehört'” (Buch Hiob, Kap. 28, Vers 22).

Eine Art deutscher Steve Jobs wiederum ist Dietmar Hopp. Das ist einer der SAP-Gründer. “Daher wurde der Mann über die Maßen reich” (Genesis, Kap. 30, Vers 43).

Diese Bibelstelle dürfte in Rom wohl schon am Sonntag verlesen worden sein, also zu einem Zeitpunkt, als die TSG 1899 Hoffenheim die Fußball-Bundesliga anführte. Mit diesem Verein zeigt Hopp allen, dass er sich alles kaufen kann.

Es heißt, die Hoffenheimer Spieler rezitierten häufig das 1. Buch der Chronik, Kap. 29, Vers 12: “Reichtum und Ehre ist vor dir; Du herrschest über alles; in deiner Hand steht Kraft und Macht; in deiner Hand steht es, jedermann groß und stark zu machen.”

Sich selbst und seinen Verein beliebt macht Hopp mit seiner Haste-was-biste-was-Haltung aber nicht. Und so harren denn die Fans anderer Clubs jener Zeit, da sie hinsichtlich des Hoffenheimer Vereins das 2. Buch der Könige, Kap.5, Vers 14 zitieren können: “Da stieg er ab.”

Allerdings Fußball-Fans pflegen, sich nicht so fromm auszudrücken. Und Dietmar Hopp fühlt sich deshalb in jüngster Zeit ständig unverstanden und beleidigt.

Zu den von unserem Landsmann aus Marktl am Inn erwähnten Banken hält die Heilige Schrift selbstverständlich ebenfalls allerlei Weisheiten bereit. So heißt es etwa bei Jesaja in Kap. 56, Vers 10: “Alle ihre Wächter sind blind, sie wissen nichts; stumme Hunde sind sie, die nicht strafen können, sind faul, liegen und schlafen gerne.”

Das ist ja das Paradoxon der Informationsgesellschaft: Alles ist gläsern, der Kunde, der Bürger und – wenn Schily endgültig in die Toskana übersiedelt – vielleicht sogar der Abgeordnete. Ein transparenter Finanzsektor hingegen existiert nicht. Letzteres zumindest hat Jesaja prophezeit.

Eines starken Glaubens allerdings bedarf es, um nicht von selbigem abzufallen, wenn man derzeit das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden in den Worten des Evangelisten Lukas hört. – Der religiöse Rezitier-Marathon könnte vielleicht jetzt gerade an dieser Stelle angelangt sein.

Ein Investor beauftragt zehn seiner Mitarbeiter – die Bibel nennt sie Knechte – mit der Vermögensverwaltung von jeweils einem Pfund. Denjenigen, der damit eine Rendite von zehn Pfund erzielt, lobt er, obwohl der doch ganz offenkundig eine hochspekulative Anlageform gewählt hatte.

Ist also der Rat, den die Bibel zu erteilen vermag, mitursächlich für die Subprime Crisis, fragt man sich da, voll Zweifel im Herzen. Und jenen nährt noch die Stelle (Kap. 19, Vers 23), wo Lukas berichtet, was der Investor seinen dritten Mitarbeiter fragte, der das Pfund mündelsicher vergraben hatte, nämlich: “Warum hast du denn mein Geld nicht in die Bank gegeben? Und wenn ich gekommen wäre, hätte ich’s mit Zinsen erfordert.”

Heute beklagt sich niemand, der seine Einlagen zurückerhält – egal ob verzinst oder unverzinst. Dieser Umstand bedarf doch der Exegese!

Der Apostel ist wohl so zu interpretieren, dass auskömmliche Renditen durchaus erzielbar sind, solange keine KfW (Kreditanstalt für Wideraufbau), IKB (Industriekreditbank), HRE (Hypo Real Estate) und andere teure TLA (Three Letter Acronyms) existieren. Und so schrieb Lukas denn über anderthalb Jahrtausende vor der Erfindung des Investmentbankings das Gleichnis ohne Arg nieder.

Mittlerweile allerdings haben sich einige mit Spekulationsgeschäften eine güldene Nase verdient. Und die anderen stehen in Deutschland mit bislang mindestens 600 Euro pro fleischlicher Nase für den Scherbenhaufen ein, den jene übriggelassen haben, die die Bibel als “fromme Knechte” – wertvolle Mitarbeiter – bezeichnet.

Man möchte vom Glauben abfallen! Da aber ist der 16. Benedikt vor mit seinem Hinweis auf die Wahrheit von Gottes Wort, “welches bleibt in Ewigkeit”.

Unser sachkundiger Landsmann hat wohl das Evangelium nach Lukas (Kap. 19, Vers 26) im Sinn gehabt, wo es heißt: “Ich sage euch aber: Wer da hat, dem wird gegeben werden; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat.” – So zeitlos ist die Heilige Schrift.